Soziale Gerechtigkeit ist nicht parteigebunden: Oberbürgermeister Helmut Reitemann, der SPD-Kreisvorsitzende Alexander Maute, VdK-Präsidentin Verena Bentele und der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann haben gemeinsame Ziele. Fotos: Ungureanu Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: VdK-Präsidentin Verena Bentele spricht beim Neujahrsempfang des SPD-Kreisverbands Zollernalb in der Balinger Stadthalle

Sie lebt nach dem Motto: "Man sollte alles im Leben ausprobieren." Dass sie von Geburt an blind ist, hält Verena Bentele nicht auf. Mit 16 hat sie erstmals paralympisches Gold geholt, danach noch weitere zwölf Mal. Heute ist sie Präsidentin des Sozialverbands VdK. Beim Neujahrsempfang des SPD-Kreisverbands war sie in Balingen zu Gast.

Balingen. "Solidarität statt Ellenbogen" – das Motto, für das sich die Genossen von der Zollernalb bei ihrem Neujahrsempfang entschieden haben, konnte treffender nicht sein. Startschuss in ein Jahr mit zahlreichen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen sollte es sein, wie der SPD-Kreisvorsitzende Alexander Maute verkündete. Und der Blick nach vorne sei wichtiger als der Blick zurück.

Für Demokratie und soziale Themen machten sich auch Oberbürgermeister Helmut Reitemann und der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann stark. Und angesichts schwelender Konflikte und Unsicherheiten für Frieden. "Gleiches Recht und gleiche Chancen für alle", forderte Rosemann, eine echte Inklusion. Und rief dazu auf, die Veränderungen, die durch Energiewende, Digitalisierung und alternative Mobilitätskonzepte bevorstünden, als Chance zu sehen.

Damit spielte er der Hauptrednerin des Abends den Ball zu. Denn Inklusion und soziale Gerechtigkeit sind auch für die Wahl-Münchnerin und Literaturwissenschaftlerin, die als Expertin für Personalentwicklung und Behindertenbeauftragte der Bundesregierung tätig war, unverzichtbar. Sie weiß: Damit das funktioniert, ist ehrenamtliches Engagement zwingend erforderlich. Genau so gut weiß sie auch, dass Leistung belohnt werden muss. Und dass Auseinandersetzungen friedlich und verbal bleiben müssen – genau wie im Sport, wo sie als Biathletin und Skilangläuferin immer wieder Gold abgeräumt hatte.

Als Präsidentin des Sozialverbands VdK spricht sie für zwei Millionen Mitglieder. Parteiübergreifend. Sie rede mit allen Parteien, "die unsere demokratischen Grundwerte vertreten" – nur nicht mit der AfD. Denn das, was sie will, ist soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Keine Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung. Keine Halbwahrheiten über Flüchtlinge, die aus Kriegsgebieten kommen und in Deutschland Schutz suchen. Inklusion – das ist für Verena Bentele nicht nur Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung. Es ist im übertragenen Sinn auch "Barrierefreiheit" für Menschen, die die deutsche Sprache gerade erst erlernen.

Der politische Diskurs rund um die Grundrente? "Es geht nicht darum, jemandem etwas zu schenken. Es geht darum, Leistung zu bewerten", sagt sie. Es geht darum, dass der Staat einen Ausgleich schaffen müsse für die Zeit, die für Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen investiert werde. Und: "Es ist wichtig, eine Rentenversicherung zu haben, die alle trägt." Menschen auf die Gefahr hinzuweisen, dass sie in Altersarmut rutschen könnten, und ihnen zu erklären, dass sie privat vorsorgen müssten, sei "nicht der richtige Weg". Dass Menschen, die viel Vermögen besitzen, sich an der Finanzierung der Grundrente beteiligen, sei nicht nur für die Betroffenen, sondern für die ganze Gesellschaft wichtig.

"Keiner muss alles wissen, jeder darf alles erfahren", sagt sie. Sie will, dass die Menschen politisches Handeln verstehen, dass sie sich einmischen. Sie will, dass die Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Und letztlich will sie, dass die Verteilung in der Gesellschaft gerechter wird, dass das Zusammenleben funktioniert. "Das Zusammenleben muss solidarisch, friedlich und fair sein", sagt sie.

Dass Pflege immer höhere Kosten verursache, dass es zu wenige Kurzzeitpflegeplätze gebe, mache ein Umdenken erforderlich. Zum Beispiel sollte es eine berufliche Auszeit für Menschen geben, die ihren Angehörigen oder ihren Nächsten pflegen. Oder es sollte ein gutes Angebot für junge Menschen geben, die sich für Verwandte oder Nachbaren engagieren: "Offenheit für neue Erfahrungen, Zugewandtheit für die Probleme von Anderen" seien erforderlich. Und ein öffentlicher Nahverkehr, der funktioniere. Insgesamt "viele Kleinigkeiten, die den großen Unterschied machen".

Ein "Schwaben-Notfallpaket" schenkte Alexander Maute der Referentin als Dank. Mit Alb-Linsen, Albgold-Spätzle, Fairtrade-Schokolade und Lehner-Bier. Es sei nicht nur wichtig, zuzuhören, sondern auch ins Gespräch zu kommen, hatte er eingangs betont. Gelegenheit zum Gespräch gab es beim Stehempfang, nachdem das Bläserensemble des Musikvereins Geislingen den offiziellen Teil musikalisch beendet hatte.