Auf dem Podium (von links): Almut Petersen, Gabriele Scholte-Reh, Moderatorin Valentina Kanter, Annette Widmann-Mauz, Georg Link und Karl-Heinz Rauch. Foto: Ungureanu Foto: Schwarzwälder Bote

Flüchtlinge: Fachforum Integration steht unter dem Motto "Chancen nutzen – Chancen geben"

Wie kann Integration funktionieren? Unter dem Motto "Chancen nutzen – Chancen geben" wurde beim Fachforum Integration viel diskutiert. Zu Gast: Annette Widmann Mauz (CDU), Staatsministerin im Kanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Migration und Flüchtlinge.

Balingen. Landrat Günther-Martin Pauli erinnerte daran, dass 23 500 Migranten aus vielen Nationen auf der Zollernalb leben. "Es gibt viele, die mit großer Not im Gepäck zu uns gekommen sind. Wir wollen ihnen die Chance geben, Fuß zu fassen."

Jeder Vierte in Deutschland, sagte Annette Widmann Mauz, habe einen Migrationshintergrund. Es sei wichtig, nicht nur über diese, sondern mit diesen Menschen zu sprechen. "Unternehmen schaffen wichtige Grundlagen für die Integration, die Vereine und die Ehrenamtlichen bauen Brücken."

Verunsicherung, Skepsis und Ablehnung würden von rechten Kräften geschürt. Auch darüber müsse geredet werden. Es sei wichtig, diese Menschen in Arbeit zu bringen, denn offene Stellen im Handwerk und in Pflegeberufen seien allein mit Inländern nicht zu besetzen. Ein neues Gesetz solle auch Menschen mit Duldung eine Perspektive verschaffen. Wichtig seien Sprachkenntnisse und Bildung. Frauenkurse und Eltern-Kind-Formate seien wichtig. Vom ersten Tag an müssten die Neuankömmlinge die grundlegenden Erwartungen im Zusammenleben hierzulande kennenlernen. Und: "Ehrenamt schafft Verständigung und Gemeinschaft. Der nationale Integrationsplan ist keine One-Woman-Show!"

Sprachkenntnisse allein, bemerkte Arbeitsagentur-Chef Georg Link in der anschließenden Podiumsdiskussion, "bringen uns nicht weiter." Rund 500 Menschen habe die Agentur derzeit in Betreuung. "Wichtig ist die Begleitung." Karl-Heinz Rauch, Schulleiter der Alice-Salomon-Schule, sprach von einer "unheimlich positiven Entwicklung im Zollernalbkreis": Die Schule arbeite mit dem Jugendamt, der Arbeitsagentur, BBQ und ABA zusammen, "die Wege sind kurz, wir profitieren alle". Deutsche und geflüchtete Jugendliche hätten ihre Lebenswelt und ihre Träume beschrieben: "Sie sind gar nicht so weit auseinander. Wir müssen auch Inländer integrieren, indem wir sie bilden."

Almut Petersen vom Hechinger Arbeitskreis Asyl gab zu bedenken, dass es nicht für alle passe, sehr lange zu lernen: "Manche lernen viel, wenn sie arbeiten, manchen sollte man schnell Arbeit geben."

Arbeit, bestätigte Widmann-Mauz, sei auch wichtig fürs Selbstwertgefühl. Nicht zu vergessen der volkswirtschaftliche Nutzen. Gabriele Scholte-Reh, stellvertretende Leiterin der VHS, berichtete von den Integrationskursen für Flüchtlinge, bei denen auch Rechte und Pflichten vermittelt werden. Für die, die das lateinische Alphabet beherrschen, seien 600 Stunden vorgesehen, die Wahrscheinlichkeit, den Sprachtest zu bestehen, liege bei 80 Prozent.

Die Ministerin gab zu bedenken, dass man viele von denen, die Anspruch auf die Kurse haben, gar nicht erreiche. Gute Erfahrungen habe man mit Migranten gemacht, die seit längerer Zeit in Deutschland leben, und die Neuankömmlinge unterrichten. Gerade in Sexualkunde sei es einfacher für einen Landsmann als für eine deutsche Lehrerin, zu erklären, wo es in Deutschland trotz Freizügigkeit Grenzen gibt.

Im Foyer des Landratsamts waren in einer Ausstellung Beispiele dokumentiert, dass es funktionieren kann: junge Menschen, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind und im Zollernalbkreis eine Ausbildung machen. Andere junge Menschen, Schüler der Alice-Salomon-Schule, servierten Leckeres aus der internationalen Küche.

Dafür, dass Integration funktioniert, lieferte eine Mitarbeiterin des Landratsamts das beste Beispiel: Valentina Kanter, gebürtige Kroatin, moderierte die Podiumsdiskussion in besten Schwäbisch.