Daumen hoch für Thomas Bareiß: Ursula von der Leyen nennt den CDU-Bundestagsabgeordneten im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen einen Kämpfer "mit Verve" für die Region. Foto: Steffen Maier

Wahlkampf: Für Bundesverteidigungsministerin ist "Trendwende schon geschafft".

Balingen - Gesunder Optimismus sieht aus und strahlt wie Ursula von der Leyen. Vor voll besetzter Stadthalle präsentierte sich die Bundesverteidigungsministerin am Dienstag mit Charme – und freute sich über ein Geschenk mit Hintersinn.

"Damit kann man auch manches Wort abwägen", sagt Oberbürgermeister Helmut Reitemann, schmunzelt hintersinnig, als er Ursula von der Leyen eine Neigungswaage überreicht, und findet – wenngleich Balingen ja keine Garnisonsstadt sei – doch eine Beziehung zur Bundeswehr: Sie unterstütze "BW Musix", den Bundeswettbewerb junger Musiker, der schon sieben Mal in Balingen ausgetragen worden sei.

CDU-Bundestagsabgeordneter Thomas Bareiß hat es da leichter: In seinem Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen liegt mit Stetten am kalten Markt der größte Bundeswehrstandort Süddeutschlands, und diesen nennt die Bundesverteidigungsministerin "unendlich wichtig", auch für die Region: 1800 Soldaten und 500 Zivilangestellte seien dort, 84 Millionen Euro habe der Bund in den vergangenen Jahren dort investiert, weitere 100 Millionen sollen bis 2021 folgen.

Vom Glück der Rückkehr zur Demokratie

Wen sie in dieser Zeit wieder im Bundestag sehen möchte, daran lässt die Niedersächsin keinen Zweifel: "Thomas Bareiß setzt sich mit enormer Verve für diese Region ein, die ich immer mit seinem Namen verbinde." Und mit Heiner Geißler, geboren in Oberndorf am Neckar, für den Bareiß zur Gedenkminute aufruft und der von der Leyen die Brücke liefert zu ihrer Botschaft: 1930 geboren und ein Freund ihres Vaters, habe Geißler ihr früh deutlich gemacht, "was es bedeutete, nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in den Kreis der demokratischen Völker aufgenommen zu werden".

Deshalb steht sie zu Bündnissen wie der Nato, die mit 22 von 29 Ländern europäisch geprägt sei, und der Zusage, spätestens 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Verteidigung zu investieren – ein Versprechen, dass zu SPD-Regierungszeiten entstanden und von zwei SPD-Außenministern bekräftig worden sei. Dass die SPD "plötzlich mit all dem nichts mehr zu tun haben will, nur weil in Deutschland Wahlkampf ist", versteht die 58-Jährige nicht – zumal die Bundeswehr seit der Wiedervereinigung "gekürzt, reduziert, geschrumpft" worden sei. Nun, angesichts großer neuer Herausforderungen, kämpft sie für eine Trendwende: "Das Personal wächst wieder, und wir haben Materialaufträge für 30 Milliarden Euro auf den Weg gebracht: Die Soldatinnen und Soldaten verdienen, modern und sicher ausgestattet zu werden."

"Jugendarbeitslosigkeit ist besiegt"

Dann folgt ihr Parforceritt durch die Themen des Bundestagswahlkampfs: Zur Türkei will sie – trotz der Beleidigungen ihres Präsidenten – nicht alle Brücken abbrechen, denn die 49 Prozent der Türken, die gegen das Präsidialsystem gestimmt hätten, hofften auf Unterstützung. Wirtschaftsförderung und den Beitrittsprozess zur EU zu überprüfen, sei aber richtig.

Deutschland indes habe als wohl einziges Land weltweit die Jugendarbeitslosigkeit besiegt und steuere auf Vollbeschäftigung zu. Wie SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz da von Ungerechtigkeit reden könne, versteht sie nicht und erteilt "diesen sozialistischen Umverteilungsplänen eine klare Absage".

Vieles spricht sie noch an: Entbürokratisierung – "Wir haben eingeführt, dass für jedes neue Gesetz eines abgeschafft wird" –, die Digitalisierung, die Mütterrente, die Pflegezeit für Arbeitnehmer, das Elterngeld und die Elternzeit. Mit der Wiedereinführung des Baukindergelds – eines der Ziele der CDU bis 2021 – solle nun die mittlere Generation gestärkt werden.

Erst zum Schluss wird von der Leyen überparteilich und appelliert an die 300 Zuhörer: "Sprechen Sie mit möglichst vielen Menschen, damit sie wählen gehen. Ich komme viel in Krisenländer und weiß, was es bedeutet, wenn Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen, um zur Wahl zu gehen."

Maute kritisiert mangelnde Absprache

Tadel im Zusammenhang mit von der Leyens Besuch musste sich Oberbürgermeister Reitemann am Abend im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats anhören: Alexander Maute (SPD) zeigte sich verärgert darüber, dass die Sitzung wegen der Wahlkampfveranstaltung um zwei Stunden nach hinten verschoben wurde. In dieser Hinsicht habe Reitemann das "notwendige Fingerspitzengefühl" – zumal zehn Tage vor der Wahl – vermissen lassen, sagte Maute und überspitzte: "Dann können wir den Sitzungskalender des Gemeinderats gleich am CDU-Kalender ausrichten."

"Selbstverständlich", so Maute, habe Reitemann als oberster Repräsentant der Stadt die Veranstaltung mit dem prominenten Gast besuchen müssen, das wolle er gar nicht in Abrede stellen. Allerdings wäre es seiner Meinung nach angemessen gewesen, die Mitglieder des Gremiums vorab zu fragen, ob eine Verschiebung in Ordnung sei. Zudem wäre es wohl sicher möglich gewesen, dass ein Stellvertreter die Gremiumssitzung leitet, sodass der OB ohne Probleme und Konsequenzen Ministerin von der Leyen die Hand schütteln und ihr ein Geschenk der Stadt überreichen konnte.

Reitemann sagte dazu, ihm sei es wichtig gewesen, die Ministerin in Balingen zu begrüßen. Gerne hätte er für die Ausschusssitzung auf die Vertreter-Regelung zurückgegriffen – allerdings sei Bürgermeister Reinhold Schäfer als Mitglied des Aufsichtsrats des Zollernalb-Klinikums bei der Einsetzung des neuen Geschäftsführer-Duos verpflichtet gewesen. Einem ehrenamtlichen Stellvertreter habe er die Sitzungsleitung nicht zumuten wollen, so Reitemann.