BETRIFFT: Arbeitsbedingungen in Großschlachtereien

Es gibt Dinge, die so offensichtlich sind, dass man sie eigentlich gar nicht übersehen kann. Dazu gehören die Arbeits- und Lebensbedingungen der sogenannten Werksarbeiter bei den Großschlachtereien. In der Vergangenheit wurde des Öfteren schon investigativ darüber berichtet, geändert hat es nichts. Ohne das Corona-Virus, das in den eng zusammen gepferchten Unterkünften leichtes Spiel und nun bei Tönnies mehr als 1500 Mitarbeiter befallen hat, wäre das wohl noch lange so weitergegangen. Ein Spiel aus optimaler Ausbeutung zur Erzielung des höchstmöglichen Profits.

Vom Sommer 2015 haben Zoll und Staatsanwaltschaft wegen angeblicher Schwarzarbeit auch gegen mich ermittelt, weil in einer Anzeige behauptet wurde, dass ich 15 osteuropäische Mitarbeiter auf meiner Hotel-Baustelle am Balinger Bahnhof schwarz beschäftigt hätte. Drei Jahre Ermittlungsarbeit mit 205 Aktenseiten hat es gebraucht, um festzustellen, dass die Anschuldigungen vollkommen aus der Luft gegriffen waren. Wie viele Aktenseiten wurden denn bis jetzt über die menschenunwürdigen Machenschaften der Schlachtbarone zusammen gesammelt? Scheinselbständigkeiten und Werkverträge, um Arbeitnehmerrechte auszuhebeln, waren da Tagesgeschäft. Und niemand fiel etwas auf? Nicht einmal, wenn sich zum wiederholten Mal ein Schlachtarbeiter bei der Arbeit ein Körperteil amputiert hat und man bei der Einlieferung ins Krankenhaus nicht einmal seine Personalien angeben konnte?

Da bleibt der schale Beigeschmack, dass es da wohl offensichtlich einige gibt, die es fertig bringen, sich an der Justiz vorbei rechtsfreie Räume zu schaffen. Wie heißt der Spruch doch so passend: "Es isch scho immer’s beste gsi, wenn ma ebber kennt, der ebber kennt!" Und der an der richtigen Stelle dafür sorgt, dass die Augen zugemacht werden.

Der Skandal um Tönnies ist doch geradezu die Aufforderung an uns, nicht nur wegen der kürzeren Tiertransporte dafür zu sorgen, dass der Schlachthof Balingen erhalten bleibt: klein, übersichtlich und regional. Auf dass man nicht nur weiß, wo das Fleisch herkommt, dass hier verarbeitet wird, sondern auch, unter welchen Bedingungen die Arbeitskräfte die Tiere schlachten und zerlegen.

Peter Seifert | Balingen