Insgesamt 260 Gramm Kokain hat der Angeklagte in Umlauf gebracht. Foto: Leonhardt

26-Jähriger Balinger bekommt Freiheitsstrafe. Schwester stirbt einen Tag vor Verhaftung vermutlich an Überdosis. 

Balingen/Albstadt - Mehrere hundert Gramm Kokain soll ein Balinger einem Betreiber eines Pizza-Services in Albstadt verkauft haben. Von dort aus wurde das Kokain weiterverkauft. Ein Schicksalsschlag kurz vor seiner Verhaftung hat ihn laut eigener Aussage schließlich zum Umdenken gebracht.

Seine Freundin und seine Mutter sitzen als Zuschauer im Gerichtssaal, als der 26-jährige Angeklagte seine Lebensgeschichte erzählt. Seine Eltern trennten sich, als er sieben Jahre alt war. "Kein Kind sollte ohne beide Elternteile aufwachsen", sagt er. Sein Vater bekam, als er zwölf Jahre alt war, Krebs. Nach der Trennung wurde er von seiner Mutter großgezogen.

"Berufskriminalität" soll Vergangenheit angehören

Der Vorsitzende Richter Hannes Breucker erkundigt sich nach den Berufsperspektiven des Angeklagten. Er hat einen Hauptschulabschluss, eine folgende Ausbildung als Industriemechaniker aber nach einem Jahr abgebrochen. Anschließend hielt er sich als Fliesenleger über Wasser. "Sie sind doch noch ein junger Mensch, wollen Sie ihr Leben lang ungelernte Arbeiten ausführen?", fragt Breucker. Der 26-Jährige verneint das und sagt, dass er unbedingt eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann machen möchte - eine potenzielle Stelle sei schon in Aussicht.

Schon früh kam er mit dem Gesetz in Konflikt. In fast jedem Jahr - seit er 14 Jahre alt ist - gab es Berührungspunkte mit der Justiz. Neben Diebstahl, Erschleichung von Leistungen und Besitz von Betäubungsmitteln finden sich auch Straftaten wie gemeinschaftliche Sachbeschädigung und gefährliche Körperverletzung in seinem Bundeszentralregister-Auszug. Als 17-Jähriger fährt er ohne Führerschein ein Auto - nachdem er Cannabis und Alkohol konsumiert hat. Als er anschließend in eine Polizeikontrolle kommt, flüchtet er mit überhöhter Geschwindigkeit, wird aber am Ende gestellt.

Immer wieder blickt der Angeklagte bei der Verlesung seines Strafregisters beschämt zu seiner Freundin und Mutter im Publikum. Man hat den Eindruck, dass er nun endlich mit seiner "Berufskriminalität" abschließen möchte. Doch der Grund, wieso er eigentlich heute vor dem Hechinger Landgericht sitzt, kommt erst noch zur Sprache.

Drogen im Wert von über 10.000 geschmuggelt

Ihm wird vorgeworfen, im vergangenen Jahr bei sechs Gelegenheiten 260 Gramm Kokain im Wert von insgesamt mehr als 10.000 Euro verkauft zu haben. Das Kokain soll nach Aussage der Ermittler einen "sehr hohen" Reinheitsgehalt von bis zu 87 Prozent haben. Sein Geschäftspartner war ein Betreiber eines Pizza-Lieferservices in Albstadt, der für den Erwerb und Weiterverkauf an Konsumenten bereits zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Er verkaufte das Kokain über seinen Lieferservice an Konsumenten weiter. Die Übergabe der Drogen soll in Bodelshausen stattgefunden haben. Während dieser Zeit hat der Angeklagte auch selbst Kokain konsumiert.

Im Zuge des Prozesses gegen den Lieferservice-Betreibers kamen die Ermittler auf die Spur des Angeklagten. Als er verhaftet und seine Wohnung durchsucht wurde, fanden die Ermittler neben dem Kokain auch hohe Bargeldmengen.

Ein Tag vor seiner Verhaftung erleidet der Angeklagte einen schweren Schicksalsschlag: Seine in den USA lebende Schwester, mit der er viel Kontakt hatte, stirbt in jungen Jahren. Ihr Todesfall wird in Zusammenhang mit einer Überdosis gesehen. Das sei eine "sehr deutliches Zeichen" für ihn gewesen, dass er etwas in seinem Leben ändern muss, teilt der Angeklagte mit: "Ich konnte nicht einmal zu ihrer Beerdigung. Das ist sehr schwer, wenn man weiß, dass das nur wegen der eigenen Konsumfinanzierung passiert ist." Da er mit den Drogen nun endgültig abschließen möchte, räumte der Angeklagte bereits zu Prozessbeginn sämtliche Anklagepunkte ein: "So wie es in der Anklageschrift steht, ist es auch geschehen."

Freiheitsstrafe für Angeklagten

Durch seinen langjährigen Kokainkonsum habe er bereits gesundheitliche Probleme wie eine zu dünne Nasenscheidewand bekommen. Mittlerweile sei er aber abstinent und wolle das auch in Zukunft bleiben. Noch vor Prozessbeginn hat er eine Therapie gemacht, um vom Kokain loszukommen: "Es war schwer, einen Therapieplatz zu bekommen, aber ich wollte die Sucht so schnell wie möglich überwinden."

Als Zeugen wurden der Betreiber des Pizza-Lieferservices und sein Komplize geladen. Beide sind in dieser Sache bereits verurteilt und bestätigten das Geständnis des Angeklagten. Der dritte Zeuge, einer der Ermittler, gab in seinen Ausführungen auch noch einen Einblick in das Ermittlungsgeschehen. So sei "in diesen Kreisen mittlerweile üblich, ein Kryptohandy zu benutzen, dass die Telefonüberwachung erheblich erschwert." Nichtsdestotrotz wurden nach Abschluss der Ermittlungen sämtliche führende Persönlichkeiten in dem groß angelegten Kokainhandel zur Rechenschaft gezogen.

Schlussendlich wurde der Angeklagte von Richter Breucker wegen unerlaubten Handeltreiben von Betäubungsmitteln in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt. Diese Strafe kann nicht mehr zu Bewährung ausgesetzt werden. Darüber hinaus wird ihm die Einziehung von 16.000 Euro und die Kosten des Verfahrens auferlegt.

"Kokain ist eine gefährliche Droge und 260 Gramm auch eine ordentliche Menge. Außerdem hat er sehr professionell und mit viel krimineller Energie gearbeitet. Nachdem er festgenommen wurde, hat er eine Therapie gemacht und sich um einen neuen Job bemüht, davor war er allerdings schwerstkriminell", sagte Breucker zur Urteilsbegründung.