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Stefan Herre ist der AfD-Kandidat im Wahlkreis Balingen – bei der Landtagswahl im März hält er ein Ergebnis von 12 Prozent für "absolut realistisch"

Von Steffen Maier

Zollernalbkreis. Es gibt diesen Spruch, wonach, wer vor seinem 30. Lebensjahr nicht links ist, kein Herz habe, und wer mit über 30 immer noch links sei, kein Hirn. Stefan Herre liegt mit 24 Jahren quasi mittendrin in diesem angeblich prägenden Lebensalter – aber politisch hat er seine Heimat schon gefunden: bei der stramm konservativen, manche sagen: populistischen oder sogar rechtsextremen, Alternative für Deutschland (AfD). Für die Partei tritt der junge Mann aus Balingen als Kandidat im Wahlkreis Balingen zur Landtagswahl an.

Für Herre und die AfD könnte es derzeit kaum besser laufen: Die jüngste Umfrage sieht die Partei bei zwölf Prozent, nur zwei Punkte hinter der SPD. Damit wäre der Einzug in den Landtag sicher. Ein wenig spekuliert der Balinger darauf, dass auch er demnächst in Stuttgart vertreten sein könnte – das hänge freilich vom Wahlkreisergebnis ab. Zuletzt holte die AfD bei den Europawahlen im Zollernalbkreis 8,5 Prozent – mehr als damals, eben zwölf Prozent, hält Herre für "absolut realistisch".

Für ein möglichst gutes Ergebnis ist Herre derzeit aktiv – zusammen mit seinen Mitstreitern, ehrenamtlich. "Noch bin ich kein Berufspolitiker", sagt der 24-Jährige. Nach einer Ausbildung zum Industriemechaniker hat er einen Handwerks- und einen Industriemeister obendraufgepackt, er war Gründer eines IT-Startups, derzeit verdient er seine Brötchen als selbstständiger Berater. Momentan ist er für ein mittelständisches Unternehmen in Rottweil aktiv.

Politisch sei er schon immer interessiert gewesen, ein "klassischer CDU-Befürworter", erklärt Herre. Er stand vor fünf Jahren kurz davor, in die Junge Union einzutreten – bis es zur Griechenland- und Eurokrise kam. Weil man in der CDU, so Herre, über die Eurorettungs-Politik der Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel nicht mehr offen habe diskutieren dürfen, sei er zur "Wahlalternative 2013" gestoßen – dem Vorgänger der AfD. Bei deren formeller Gründung im Februar 2013 in Berlin war Herre dann mit dabei. Ein Mitglied fast der ersten Stunde also.

Um das Thema dieser ersten Stunde, den Euro, geht es, wenn es um die AfD geht, heute nur noch am Rande. In den vergangenen Monaten machte die Partei vor allem mit ihren Forderungen in der Asyl- und Einwanderungspolitk auf sich aufmerksam.

Den Vorwurf des Populismus oder gar des Rechtsexremismus weist Herre indes strikt zurück: Die AfD stehe für bürgerlich-konservative Positionen, für "unser Land" und "unsere Werte". Sie biete all jenen eine Heimat, denen die CDU in den vergangenen Jahren zu sehr in die politische Mitte gerückt sei.

Populistische – im wörtlichen Sinne – Forderungen erhebt die AfD gleichwohl: Man stehe für die direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild und wolle die Meinung der Bürger bei wichtigen Entscheidungen einholen. Dadurch sei eine "ehrliche und bürgernahe Politik" möglich. Und klar: Die Steuern müssen runter, Bürokratie abgebaut werden. Und überhaupt: Die GEZ-Zwangsgebühr gehört abgeschafft.

Gegen ein zentralisiertes Europa

Zudem will die AfD – Nachklang der Gründungsdiskussion um den Euro – den "zentralisierten Europastaat" verhindern und sich stattdessen für ein Europa der souveränen Staaten einsetzen. Keiner der EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere Deutschland nicht, solle die Schulden anderer Länder übernehmen müssen, auch sinnlose Hilfsprogramme wie für Griechenland seien zu vermeiden.

Die Polizei müsse nach Jahren des "Totsparens" dringend wieder gestärkt werden, um die Innere Sicherheit gewährleisten zu können. In der Bildungspolitik setzt sich die AfD für die Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems und strikt gegen eine "Einheitsschule" ein.

Ebenso müsse das klassische Familienbild wieder mehr gefördert werden. Müttern mit Kindern dürften nicht als "Heimchen am Herd" abgestempelt werden, vielmehr müsse ihnen, sagt Herre, "Respekt und Anerkennung für ihren Riesendienst an der Bevölkerung" gezollt werden.

Mit ihren Standpunkten hat die AfD zuletzt viele angesprochen, auch im Zollernalbkreis. Ende 2013 wurde der Kreisverband gegründet, dem Stefan Herre und Jan Hermann aus Rangendingen gleichberechtigt vorstehen. Rund 50 Mitglieder seien es derzeit, Tendenz steigend, so Herre, darunter, so sagt er weiter, viele enttäuschte CDU-Anhänger. Den Erfolg erklärt sich Herre so: Die AfD sei, im Vergleich mit der CDU, eben das "konservative Original" – das zeige sich insbesondere bei der zuletzt "völlig entgleisten Asylpolitik" von Kanzlerin Angela Merkel.

"Asyl braucht Grenzen", sagt Herre, "wir müssen entscheiden, wer unser Land betreten darf." Dringend notwendig sei angesichts des demografischen Wandels ein Einwanderungsgesetz, das regeln soll, "welche Menschen wir hier in Deutschland brauchen und wollen". Für die Auswahl müsse es klare Kriterien geben – etwa Qualifizierung, Vermögen, aber auch Vorstrafen. Vorbilder dafür seien etwa Australien, die USA und Kanada.

Die Einwanderungspolitik müsse vom Grundrecht auf Asyl "abgekoppelt" werden, so Herre. Ausgesetzt werden müsse dieses im Grundgesetz verankerte Recht nach Meinung der AfD ohnehin bis zu dem Zeitpunkt, an dem alle EU-Staaten anteilig ebenso viele Flüchtlinge aufgenommen haben wie Deutschland. Zudem fordert die Partei die "wirksame Sicherung der Staatsgrenzen gegen illegale Einwanderung". Herre betont, dass in der AfD niemand die Absicht habe, auf Flüchtlinge zu schießen. In dieser Richtung hatten sich die Parteivorsitzende Frauke Petry und deren Stellvertreterin Beatrix von Storch geäußert – woraufhin die AfD Zollernalb von Storch von einer Ende Februar in der Balinger Stadthalle geplanten Veranstaltung wieder auslud. Die Äußerungen seien "zu radikal" und "missverständlich" gewesen, sagt Herre.

Wahlplakate Ziel von Zerstörungswut

Wie gesagt: Besser als derzeit könnte es für die AfD kaum laufen. Die Partei scheint trotz oder gerade wegen ihrer vielfach radikalen und einfachen Positionen beliebt. Eines aber ärgert Herre ungemein: dass die Wahlplakate seiner Partei regelmäßig Ziel von Zerstörungen seien. 450 Plakate seien im Zollernalbkreis angebracht worden, nach wenigen Tagen waren schon 80 wieder weg.

"Das hat mit Demokratie und einem fairen Wettbewerb nichts zu tun", sagt Herre. Warum das bei der AfD nicht respektiert werde, warum, so vermutet er, vor allem der politische Nachwuchs anderer Parteien den Wahlkampf seiner Partei "systematisch torpediert", das könne er nicht verstehen.