Patrizia und Vera Bieber spielen konzentriert in der Ostdorfer Medardus-Kirche. Foto: Meinert Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Patrizia und Vera Bieber brillieren beim Konzert in der Medardus-Kirche

Balingen-Ostdorf. "Musica antiqua in Raum und Zeit" war der Titel des Medardus-Konzerts mit Patrizia und Vera Bieber in Ostdorf. Mit Cembalo, Barockvioline und Flöten zauberten die Schwestern aus Oberdigisheim ein Konzert mit vielen Überraschungen.

Das Programm begann mit der zeitgenössischen Komposition "Charavgi" von Calliope Tsoupaki. Das Werk beschreibt eine "Morgendämmerung": Vera Bieber spielte das Flötensolo von der Empore aus und beeindruckte mit modernen Techniken wie zum Flötenspiel gesungenen Tönen, Glissandi und jäh abgerissenen Tönen.

Patrizia Bieber erläuterte den rund 80 Zuhörern den Inhalt des Stücks, das eine Umwandlung beschreibt, die im Augenblick ihrer Blüte unvermittelt endet, so wie die Morgendämmerung mit dem Aufgang der Sonne endet.

Es folgten Ausschnitte aus der Violinensonate des Geigenvirtuosen Heinrich Ignaz Franz Biber, die von Patrizia Bieber mit großer Virtuosität vorgetragen wurden. Vera Bieber begleitete am Cembalo, und beide beeindruckten durch ein nahezu blindes Verständnis mit einer abwechslungsvollen Agogik, bei der die Schwestern zu einem Instrument mit vier Händen zu verschmelzen schienen.

Im nachfolgenden Programmblock stellten die beiden Schwestern deutsche und französische Barockmusik gegenüber und erklärten die Unterschiede zwischen deutscher und französischer Spielweise mit ihren beinahe überladenen Verzierungen. In seiner "Fantasia Nr. 12 für Flöte Solo" stellt Georg Philipp Telemann lautmalerisch Vogelstimmen dar – von Vera Bieber mit spielerischer Leichtigkeit und Souveränität interpretiert.

Anschließend brillierte Patrizia Bieber mit dem Prélude und der Allemande aus den "Pièces de clavecin" von Jean-Henry d’Anglebert. Dieses Werk ist ohne Metrum notiert – die Musik entsteht im Moment ihrer Darbietung, und wurde durch Patrizia Bieber auswendig und gefühlvoll dargeboten; die Musik schien dem Atem der jungen Künstlerin zu entströmen und erfüllte harmonisch und organisch das Kirchenschiff.

Mit dem "Quatrième concert" von François Couperin für Flöte und Cembalo präsentierten die Schwestern den französischen "stile inégalitée", bei dem – wie im Swing – gleichmäßig notierte Notenwerte punktiert ausgeführt werden und der Musik so eine besondere Lebendigkeit verleihen. Das viersätzige Werk wurde von Vera Bieber auswendig interpretiert und zeigte die tiefe Verschmelzung der Flötistin mit der Musik sowie mit ihrer Schwester.

Der nächste Programmblock widmete sich der barocken Philosophie der "Sphärenklänge", die von den Schwestern erläutert und durch Zitate aus Ciceros "De Re Publica" verdeutlicht wurde. Die von Patrizia Bieber vorgetragene viersätzige "Partita II für Solovioline" von Johann Sebastian Bach ging nahtlos in Ausschnitte aus den "Symphoniae Sacrae" von Nicolao a Kempis über: In den Schlusston der Bach-Partita spielte Vera Bieber den Soloeinsatz der Flötenstimme, während Patrizia von der Violine ans Cembalo wechselte und in die Begleitung ihrer Schwester einstimmte.

In der abschließenden "Sonate d-Moll" von Georg Friedrich Händel für Flöte und Cembalo zeigten beide Schwestern noch einmal die große Souveränität und Virtuosität, mit denen sie ihre Instrumente beherrschen. Nach dem Schlusssatz "Furioso" forderte das Publikum eine Zugabe, bei der sich erneut das programmgestalterische Geschick der jungen Musikerinnen zeigte: Eine frühbarocke, melancholisch getragene Melodie von Andrea Falconiero – im Original für Blockflöte, Violine und Bass geschrieben – bildete in der Ausführung mit Flöte und Cembalo einen wohltuenden und beruhigenden Ausklang nach dem spannungsvollen Händel-Fourioso – und entließ die begeisterten Zuhörer nach einem Konzert auf höchstem Nieveau.

Einen besonderen Reiz erhielten die Darbietungen durch die überaus transparente Akustik der Medarduskirche, die neben den Tönen auch die Spielgeräusche und das Atmen der Künstlerinnen hörbar machte und so ganz unmittelbare Sinneseindrücke entstehen ließ.