Zahlreiche Zuhörer lauschen dem Vortrag von Clemens Beisel in der Balinger Stadthalle. Foto: Breisinger Foto: Schwarzwälder Bote

Bildung: Clemens Beisel spricht in der Balinger Stadthalle vor vielen Besuchern über Risiken und Umgang mit "sozialen Netzwerken"

Zum Thema "Soziale Netzwerke und Jugend – ein Auftrag für die moderne Erziehung" hat Clemens Beisel am Samstagvormittag in der Balinger Stadthalle gesprochen. Beisel machte dabei deutlich, wie wichtig der verantwortungsvolle und bewusste Umgang vor allem mit Smartphones ist.

Balingen. Da es sich bei dem Vortrag um ein Bildungsangebot handelte, konnte er wie geplant stattfinden; zwei Tage davor hatte Beisel zum selben Thema bereits in der Frommerner Festhalle gesprochen. Veranstaltet worden waren die Vorträge vom Netzwerk Gesundes Aufwach(s)en Balingen, dem das städtische Kinder- und Jugendbüro, der Landkreis, das Evangelische Bildungswerk die Katholische Erwachsenenbildung, der Kinderschutzbund, die Kinderstube sowie die Waldorfschule angehören.

Beisel eröffnete seinen Vortrag im Kleinen Saal der Stadthalle mit einer Aussage von Christian Montag, Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm: Demnach schauen Angestellte durchschnittlich alle 17 Minuten auf ihr Smartphone, mit der Folge, dass nie nicht mehr in den Flow ihrer Arbeit kommen. Unglauben herrschte, doch als der Sozialpädagoge Beisel die zahlreichen Veranstaltungsbesucher nachschauen ließ, wie viele Entsperrungen sie tagtäglich an ihrem Smartphone haben, bewahrheite sich diese These.

Generell war im Vergleich zu anderen Vorträgen die Nutzung des Smartphones nicht verpönt, sondern ausdrücklich erwünscht und Teil des Vortrags: So etwa, als Beisel die Zuhörer beauftragte, auf ihren Geräten nach den Einstellungen hinsichtlich des Datenschutzes zu schauen. Das stellte einige doch vor arge Probleme, obwohl Smartphones doch tagtäglich viel genutzt werden.

Beisel erzählte von seinen Erfahrungen während zweier Workshops mit Fünft- und Siebtklässlern in der Frommerner Waldorfschule. In einer fünften Klasse habe es einen Schüler gegeben, der zwölf Stunden am Tag am Handy hänge, zahlreiche andere brachten es auf sechs Stunden, fast alle anderen drei bis fünf Stunden. "Aber selbst das ist schon zu viel, denn ich bin kein Fan von sozialen Medien für Fünft- und Siebtklässler, wenn die Eltern die Nutzung nicht kontrollieren", so Beisel.

Viele Jugendliche schöpften überhaupt nicht mehr ihr Potenzial aus, weil sie sich nicht mehr um ihr eigenes Leben kümmern, sondern fast nur noch Interesse an den Aktivitäten der anderen zeigen, so Beisel weiter. Alles, was digital passiere, habe einen enormen Einfluss auf das normale Leben. Jugendliche definierten sich oft nur noch darüber, was viele negative Auswirkungen habe.

Warum so viele Menschen und so viele Jugendliche der Smartphonesucht verfallen sind? Für Beisel ist die Antwort klar: Vor allem "soziale Netzwerke" dienten der Selbstdarstellung, der Information, der Unterhaltung und der sozialen Interaktion – all das seien Grundbedürfnisse des Menschen.

Beisel erläuterte zudem den sogenannten Casino-Effekt: Dieser besagt, dass beim Schauen auf das Handy mitunter positive Nachrichten kommen, was zum Ausschütten von Glückshormonen führe. Bei WhatsApp bemängelt er vor allem das zu leicht mögliche Erstellen von Gruppen, etwa für Schulklassen. "Wenn nur einer in diesen Gruppen pornografisches oder gewaltverherrlichendes Material reinstellt, haben sofort bis zu 30 Jugendliche Zugang." Anhand eines anderen Beispiels riet er vor dem Gebrauch des von ihm als "Marketinginstrument der positiven Fürsprecher" bezeichnenden App Instagram ab: "Wenn vor einigen Tagen dort das Suchwort ›Wien‹ eingeben wurde, dann landete man als erstes auf Videos, die zeigen, wie Menschen beim Amoklauf in der österreichischen Hauptstadt ermordet wurden."