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Michael Schwindt ist als Laienrichter am Jugendschöffengericht tätig – die Gerichte suchen nun wieder Bewerber für die Jahre 2019 bis 2023

Von Diebstahl über Körperverletzung bis hin zu Mord – Michael Schwindt hat einige Kriminalfälle hautnah erlebt. Der 43-Jährige ist als Jugendschöffe am Landgericht Hechingen tätig. Die Möglichkeit, an der Rechtssprechung mitzuwirken, hat ihn einst zur Bewerbung veranlasst.

Balingen. Als Schöffe am Jugendgericht hatte Schwindt Einblick in zahlreiche Verfahren. Allerdings ganz anders als die Berufsrichter: Anders als diese müssen Schöffen vor Beginn einer Verhandlung keine Akten lesen, sich nicht in die Fälle einarbeiten.

Laienrichter sollen vielmehr unvoreingenommen sein, nur die Beweisaufnahme genau verfolgen, Beweise und Aussagen von Zeugen würdigen. Sie können selbst Fragen an die Angeklagten und die Zeugen stellen – und sollen am Ende ihre Einschätzung als "Normalbürger" einbringen. Juristische Kenntnisse sind nicht erforderlich, Lebenserfahrung und Menschenkenntnis schon eher. In den Beratungen, insbesondere über das Strafmaß, sind Schöffen indes gleichberechtigt mit den Berufsrichtern.

Dieser "Blick hinter die Kulissen" hat Michael Schwindt vor fünf Jahren gereizt, sich für das Schöffenamt zu bewerben. Heute, sagt er, könne er manche Urteile aufgrund seiner Tätigkeit als Laienrichter besser verstehen. Mittlerweile kennt er die Unterschiede zwischen fahrlässiger und gefährlicher Körperverletzung, zwischen einfachem und schwerem Diebstahl und weiß auch, wann von Totschlag und wann von Mord gesprochen wird. Aufgrund seiner Erfahrungen wird er sich wieder als Schöffe bewerben (siehe Info).

Wer sich für die Schöffen-Aufgabe entschieden hat, kann nur schwer einen Rückzieher machen – man ist, bis auf ganz wenige Ausnahmen und Sonderfälle, zur Teilnahme an den Verhandlungen verpflichtet. Bei Bedarf muss sogar ein Urlaub unterbrochen werden. Von Arbeitgebern müssen Schöffen zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe freigestellt werden; für die Laienrichter-Tätigkeit erhält man keinen Lohn, allerdings eine Entschädigung. Michael Schwindt arbeitet bei der Balinger Stadtverwaltung; im Ordnungsamt ist er in der Bußgeldstelle beschäftigt. Dass er im öffentlichen Dienst tätig ist, sei für die Tätigkeit als Schöffe mitunter sehr von Vorteil.

Welche Schöffen wann im Einsatz sind, wird zu Beginn eines Gerichtsjahrs ausgelost. Michael Schwindt war, sagt er, bei etwa zwei bis drei Verhandlungen pro Jahr als Laienrichter eingesetzt. Die meisten Prozesse waren nach einem Tag, vielleicht auch zwei Sitzungstagen vorbei. Allerdings geht es auch deutlich länger: So wirkte der 43-Jährige als Schöffe an der Urteilsfindung im Fall Umut K. mit, dem jungen Mann aus Bisingen, der Ende 2016 in Hechingen aus einem Auto heraus erschossen worden war. An 16 Tagen wurde verhandelt, zum Teil bis zu elf Stunden lang.

Ein Urteil bedeutet das Ende eines Verfahrens, für Richter und auch Schöffen. Insbesondere für Jugendschöffen wie Michael Schwindt bringt es eine große Verantwortung mit sich. Man entscheide mit über das künftige Leben eines jungen Menschen, versuche, ihn, soweit das möglich sei, zurück auf die richtige Bahn zu bringen. Schwindt: "Solch eine Verantwortung, die auch Bürde sein kann, muss man übernehmen wollen."

Im ersten Halbjahr 2018 werden bundesweit die Schöffen und Jugendschöffen für die Amtszeit 2019 bis 2023 gewählt. Alle Städte und Gemeinden im Zollernalbkreis sind in diesen Tagen aufgefordert, Bewerber zu melden. Wählbar sind deutsche Staatsangehörige im Alter von 25 bis 69 Jahren; Bewerber dürfen nicht vorbestraft sein. Auch wer hauptamtlich in der oder für die Justiz arbeitet – etwa Richter, Rechtsanwälte, Polizisten, Bewährungshelfer –, ist als Bewerber ausgeschlossen. Wer Interesse hat, kann sich als Balinger beim Haupt- und Personalamt der Stadtverwaltung Balingen melden, Telefon 07433/17 01 58. Auf der Internetseite der Stadt Balingen findet man weitere Informationen zum Schöffenamt.