Pistole in einer einen, Bierdose in der anderen Hand: Sascha Geršak steht als Geiselnehmer Hans-Jürgen Rösner in der Tür des Busses, den er mit seinem Kumpanen Dieter Degowski gekapert hat. Der Balinger Schausieler ist diese Woche in dem ARD-Zweiteiler "Gladbeck" zu sehen. Foto: ARD Degeto/Ziegler Film/Martin Menke Foto: ARD Degeto/Ziegler Film/Martin Menke

Schauspieler in ARD-Zweiteiler als Geiselnehmer Hans-Jürgen Rösner zu sehen. Intensiver Dreh.

Balingen - Jeder Filmdreh hat seine extremen Seiten, der neueste Film, in dem der aus Balingen stammende Sascha Alexander Geršak mitspielt, ist ein einziges Extrem. Die erste Woche der Dreharbeiten: nur mit Sturmhaube über dem Kopf. Der Dialekt, den Geršak spricht: übelstes Pott. Und natürlich die Rolle – in einem Spielfilm, der eines der bekanntesten, brutalsten, gewissenlosesten Verbrechen nacherzählt, das die Bundesrepublik je gesehen, ja buchstäblich hautnah miterlebt hat: die Geiselnahme von Gladbeck.

Im Sommer vor 30 Jahren hielt das Geschehen die Deutschen in Atem, auch deshalb, weil die Medien – Zeitungen, Magazine, Radio und Fernsehen – immer näher dran waren an den Gangstern als die Polizei und alles live in die Wohnzimmer berichteten. Auch dadurch wurde "Gladbeck" zu einem in Deutschland beispiellosen Verbrechen. Am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche ist der Film "Gladbeck" als Zweiteiler in der ARD zu sehen – mit Geršak in einer der Hauptrollen: Er spielt Hans-Jürgen Rösner, einen der beiden Bankräuber und Geiselnehmer. Und er spielt, so viel kann man vorneweg sagen, so gut, dass man als Zuschauer durch den Bildschirm Angst vor ihm bekommt.

Im Kino "Filmkunst 66" von Produzentin Regina Ziegler in Berlin wurde "Gladbeck" vergangene Woche vorgeführt. Auch Geršak ist dabei, er sieht den Film und damit sich selbst zum wiederholten Mal. Langweilig werde der Streifen aber nicht, sagt der Balinger, im Gegenteil: Der Streifen, der Inhalt werde für ihn mit jedem Mal noch intensiver, noch besser.

In rund 70 Filmen hat Geršak in seiner Karriere als Schauspieler mittlerweile mitgewirkt, die Rolle als Hans-Jürgen Rösner in "Gladbeck" ist ein besonderer Höhepunkt. Für den 42-Jährigen haben sich damit gleich mehrere Kreise geschlossen: Sein Professor an der Schauspielschule in Zürich prophezeite ihm einst, dass er einmal "den Rösner" spielen werde; offenbar, weil Geršaks Talent für düstere, fiese Charaktere schon damals offensichtlich war. Dass er die Rolle bekommen hat, ist zudem gleich mehreren Zufällen geschuldet, wie sie in Summe wohl nur das Leben schreiben kann.

So war Geršak 2014 für seine Darstellung des Murat Kurnaz in "Fünf Jahre Leben" für den Deutschen Filmpreis als bester Hauptdarsteller nominiert. Die "Lola" bekam indes Dieter Hallervorden für seine Rolle in "Sein letztes Rennen". Regisseur dieses Streifens damals: Kilian Riedhof. Genau den traf Geršak kurz nach der Preisverleihung, nichtwissend, dass Riedhof "Sein letztes Rennen" inszeniert hatte, und lästerte über genau diesen Film. Riedhof hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Idee für "Gladbeck" auf dem Tisch, und anders als man vermuten könnte, beeindruckte Geršak ihn mit seinem Geschimpfe über eines seiner Werke – sehr sogar: Riedhof wollte Geršak für "Gladbeck", ausdrücklich, für die Rolle des Hans-Jürgen Rösner. Nur der Balinger wurde gecastet, dann war die Personalfrage geklärt.

Zur Vorbereitung auf die Rolle tauchte Geršak tief ein in die Geschichte, las alles, was er zu "Gladbeck" in die Finger bekam, lernte mittels seines iPhones "Pott", den Soziolekt, der die Geiselnehmer noch übler und brutaler erscheinen ließ. Und er beschäftigte sich mit der Person Rösner: Was war, was ist das für ein Mann? Bevor Rösner mit seinem Kumpanen Degowski die Filiale der Deutschen Bank in Gladbeck überfiel, hatte der damals 31-Jährige wegen Raubüberfällen und Einbrüchen bereits elf Jahre im Gefängnis abgesessen – und damit, wie Geršak es formuliert, nach einer verkorksten Jugend 22 Semester intensiv Verbrechen studiert. Während der Geiselnahme sagte Rösner über sich selbst, er sei von Haus aus Verbrecher, er kenne keine Moral, und er scheiße auf sein Leben.

Diesen Menschen, diesen Charakter spielt Geršak meisterlich, ebenso sein Schauspielerkollege Alexander Scheer den zweiten Gladbeck-Geiselnehmer Dieter Degowski. Sie überzeugen buchstäblich durch ihr Spiel, durch ihre Mimik, durch ihre wilden, an böse Tiere erinnernden Blicke. In den 180 Filmminuten erreichen Geršak und Scheer eine unheimliche Präsenz – dies, obwohl sie nur sehr wenig Text sprechen.

Für Sascha Geršak ist "Gladbeck" die bisher größte Produktion seiner Schauspielerkarriere gewesen, eine "besondere Ehre", sagt er. Er liebe seine Beruf, er gehe gern zur Arbeit, er liebe es, seine Kraft und Energie in besondere Rollen wie nun diese einbringen zu dürfen. Mit seiner Familie wohnt der Balinger in Berlin; auch seine Frau arbeitet als Schauspielerin ("Sie ist viel besser als ich!").

Ein weiterer Teil der Familie kommt am Freitag dieser Woche nach Berlin: Sascha Geršaks älterer Bruder, Kantor der Kirche St. Nikolaus in Friedrichshafen, reist an. Im Kino Babylon-Mitte, einem der letzten Kinos in Europa, in dem es eine Kinoorgel gibt, spielt Nikolai Geršak vor 400 Gästen zum Abschluss der Produktion und gibt ihr damit einen würdigen Rahmen.

Weitere Informationen: Der Zweiteiler "Gladbeck" ist am Mittwoch und Donnerstag, 7. und 8. März, jeweils ab 20.15 Uhr in der ARD zu sehen. Im Anschluss an den zweiten Teil folgt eine Dokumentation.