Wenn die Balinger in den Bus steigen, dürften die Freunde in Royan sie sehnsüchtig erwarten – auch mit Diskussionen über die Verurteilung des Ex-Präsidenten.
In der Partnerstadt am Atlantik versorgen die Kollegen der Zeitung „Sud Ouest“ die Leser mit den aktuellsten Nachrichten. Über die Sommermonate herrschte auch in Royan Nachrichtenflaute. Berichtet wurde über Sommerfeste, neue Restaurants oder Boule-Turniere.
Nun aber haben sich sowohl das Wetter, als auch die Nachrichtenlage geändert. Was in Deutschland undenkbar wäre, ist in Frankreich eingetreten: ein ehemaliger Präsident muss ins Kittchen. Einige Ex-Minister sitzen schon in den Kerkern jener Republik, die sich dereinst ihres Königs entledigte und dem neu ausgerufenen „Bürger“ nebst seiner Gattin Marie Antoinette das Haupt guillotinieren ließ.
So berichten französische Medien
Um seinen Kopf fürchten muss Nicolas Sarkozy heutzutage freilich nicht und auch seine Gattin, die italienische Sängerin Carla Bruni, wird ihr Haupt an Ort und Stelle behalten.
In vielen deutschen Zeitungen war der Prozess gegen „Sarko“ gerade mal eine Meldung wert. Immerhin mit Foto, das den ehemaligen Staatschef deutlich ergraut und deutlich gealtert zeigt. Die Kollegen vom „Sud Ouest“, der in Royan auflagenstärksten Zeitung, haben heftiger in die Tasten gegriffen. Wir zitieren:
„Erstmals in der Geschichte der Republik muss ein ehemaliger Präsident hinter Gitter: Ein Pariser Gericht verurteilte Nicolas Sarkozy am Donnerstag in der Libyen-Finanzaffäre zu fünf Jahren Haft und weiteren Haftstrafen. Am Freitagmorgen reagierten Medien und Politiker weiter auf dieses historische Urteil.
„Kriminelle Verschwörung“
Nicolas Sarkozy wurde am Donnerstag vom Pariser Strafgericht im Fall der libyschen Staatsfinanzierung zu fünf Jahren Haft mit Bewährung verurteilt. Das bedeutet, dass er bald inhaftiert wird, selbst wenn er Berufung einlegt.
Der ehemalige Staatschef wurde der kriminellen Verschwörung für schuldig befunden. Die Richter sprachen ihn von den Vorwürfen der Hehlerei und Veruntreuung libyscher öffentlicher Gelder, der passiven Bestechung und der illegalen Wahlkampffinanzierung frei.
Sarkozy kündigt Berufung an
Die Vorwürfe seien „außerordentlich schwerwiegend“ und „gefährden wahrscheinlich das öffentliche Vertrauen“, betonte die vorsitzende Richterin Nathalie Gavarino.
Einer mit dem Fall vertrauten Quelle zufolge wird Nicolas Sarkozy am 13. Oktober von der Nationalen Finanzstaatsanwaltschaft (PNF) vorgeladen, um den Zeitpunkt seiner Inhaftierung festzulegen.
Der ehemalige Präsident kündigte umgehend Berufung an. Die Finanzstaatsanwaltschaft wird ebenfalls Berufung einlegen.“
Am 13. Oktober sind die Royan-Reisenden längst wieder zurück in der Eyachstadt. Und vielleicht ist es „Sarko“ bis dahin auch gelungen, mit Fußfesseln und Hausarrest davon zu kommen.
So oder so ist im „Le Littoral“, der Wochenzeitung des Departements, nichts über den künftigen Häftling zu finden. Die Kollegen dort berichten über den Neubau einer Müllhalde, die im kommenden Jahr fertig gestellt werden soll.
Junger Mann muss hinter Gitter
Um zehn Monate Gefängnis geht es dann doch im „Le Littoral“. Ein 25-Jähriger stand in Royan vor Gericht, weil er seinen Vater mit einem Messer angegriffen und in den Bauch gestochen hatte.
Und dann wird es sportlich: Estelle Mossely, 2016 Olympiasiegerin im Boxen, hat sich den Boxclub von Royan ausgesucht, um für ihren nächsten Kampf zu trainieren. Warum ausgerechnet im Badeort? Weil es dort, so wird berichtet, die besten Sparringpartner gebe.