Der Künstler und sein Werk: WON ABC alias Markus Müller vor seinem Drachen-Graffito. Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Stadtverwaltung erreicht Duldung für Graffito an der denkmalgeschützen Frommerner Schwelhalle

Geschafft: Die Balinger Stadtverwaltung hat nach Informationen unserer Zeitung erreicht, dass das überdimensionale Drachen-Graffito an der Fassade der Frommerner Schwelhalle bis auf weiteres bleiben kann.

Balingen-Frommern. Das Werk hatte der Graffiti-Künstlers WON ABC alias Markus Müller im Sommer 2019 im Rahmen der von der Galerie Türke auf die Beine gestellten Ausstellung "Revolte!" an die Außenmauer der Schwelhalle angebracht. Der Arbeitsprozess erstreckte sich über mehrere Tage; der Drache wacht symbolisch als Beschützer über das geschichtsträchtige Gebäude.

Die Schwelhalle war jahrzehntelang aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden. Mit deren Bau begonnen hatte einst die LIAS-Ölschieferforschungsgesellschaft in den Jahren 1942/43. Dort sollte der von Insassen der umliegenden Konzentrationslager und Zwangsarbeitern der "Wüste"-Werke abgebaute Ölschiefer verarbeitet werden. Bis Kriegsende wurde die Anlage nicht fertig, die Franzosen ließen sie als Besatzer anschließend zu Ende bauen und verkauften das Werksgelände in den 1950er-Jahren an das Unternehmen Electra, dessen Schriftzug bis heute an der Fassade zu lesen ist.

Nach deren Auszug in den 1980er-Jahren wurden die Gebäude auf dem Gelände als Lager an andere Unternehmen vermietet, ehe Electra das Ensemble vor wenigen Jahren verkaufte. Der neue Eigentümer hauchte dem Ensemble neues Leben ein; Teile davon sind an Unternehmen als Lagerflächen vermietet, die Schwelhalle wurde als Veranstaltungsort genutzt – wie eben auch für die Ausstellung "Revolte!".

Kurze Zeit vor Beginn der Schau wurden dann im April 2019 die Denkmalschützer auf das Gebäude aufmerksam und aktiv: Das gesamte Areal wurde zunächst zum Prüffall erklärt, Anfang Juni 2019 dann als Kulturdenkmal eingestuft – zwei Tage, bevor Markus Müller mit dem Sprühen an der Fassade begann. Der Eigentümer hatte im Oktober gegenüber unserer Zeitung erklärt, er habe zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis davon gehabt, dass die Schwelhalle nun unter Denkmalschutz stehe und er sich damit jedwede Veränderung an dem Gebäude hätte genehmigen lassen müssen.

Die Denkmalschützer forderten sodann, das Graffito wieder abzunehmen und den "Vorzustand" wiederherzustellen – ein Vorzustand freilich, der in keiner Weise dem Originalzustand der Schwelhalle entsprach, weil an deren Fassade über die Jahre vieles verändert worden war. Die öffentliche Meinung ging in die entgegengesetzte Richtung: Die Forderung der Denkmalschützer wurde weit überwiegend mit Kopfschüteln bedacht, viele fanden und finden den Drachen klasse. Und wenn sie das Motiv nicht mögen, so doch grundsätzlich, dass die Fassade neu gestaltet wurde.

Auch der Balinger Gemeinderat sprach sich dafür aus, das Drachen-Graffito er erhalten. So sagte beispielswiese Dietmar Foth (FDP) Anfang Oktober im Gremium, erst durch das Bild seien die Schwelhalle und deren Geschichte wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt – das sollte den Denkmalschützern doch nur recht sein. Seiner Meinung nach, so Foth damals weiter, handele es sich bei dem Drachen um ein auch wegen der Größe ganz besonderes Kunstwerk. Zudem sei das Graffito eine tolle Erinnerung an die "Revolte!"-Ausstellung.

Zwischen der Balinger Stadtverwaltung (Untere Denkmalschutzbehörde) und dem Regierungspräsidium Tübingen (Höhere Denkmalschutzbehörde) ging die Meinung, wie in der Angelegenheit weiter zu verfahren sei, auseinander. Zu einem sogenannten förmlichen Dissens-Verfahren aber kam es nicht – weil die Oberste Denkmalschutzbehörde – angesiedelt beim Landeswirtschaftsministerium, das von der Balinger CDU-Politikerin Nicole Hoffmeister-Kraut geführt wird – die von den Balinger vorgeschlagene vorübergehende Duldung mittrug. Alles in Butter also. Das Drachen-Bild bleibt bis auf weiteres. In zwei, drei, vier Jahren soll es ein Gespräch zwischen Eigentümer, Künstler, Stadt und Denkmalschützern geben, ob es dann vielleicht überpinselt wird.

Frank Türke, der die "Revolte!"-Schau organisiert hatte, freute sich am Freitag über diese Nachricht nach all den Diskussionen. Es sei "cool" und "schön", dass das Müller-Graffito vorerst bleiben dürfe, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Und noch etwas anderes freut ihn: Dass die lange angestrebte Nutzungsänderung für die von ihm angemietete Schwelhalle mittlerweile durch sei. Die einstige Industriehalle darf nun auch offiziell als Ausstellungsort genutzt werden.