"Deichkind" prollen bei rebellischem "Kindergeburtstag" in der Balinger Messehalle.
Balingen - Über die Qualität ihrer Musik kann man streiten. Streng genommen spielt sie nur noch eine untergeordnete Rolle, bei dem, was "Deichkind" in der Balinger Messehalle abgezogen haben – es war kein Konzert im gewöhnlichen Sinne. Vielmehr eine prollig-extreme Krach- und Remmidemmi-Performance.
Die Fans kauen an Knicklichtern, tragen T-Shirts mit neongelber Schrift, und viele haben vor Showbeginn schon kräftig vorgeglüht. Die meisten sind Schüler, Azubis oder Studenten. Auch ein paar Ü-30er sind da – Typ kreativer Hobby-DJ.
Eine Mischung aus Schranz und Housebeats hallt durch die Halle. Versehentlich wohl klingt dazwischen kurz ein Titel von "Queen" an, bevor ein übertrieben langes Intro-Video beginnt. In Silberfolie und Plastikplane gewickelt, rennen die aus Hamburg stammenden Deichkinder darin durch den Wald. Sinn macht das nicht – wie so manches in der effekthaschenden Inszenierung. Sie ist frei von Konventionen – vor allem aber frei von Zwängen, auch von gesellschaftlichen.
In knallengen Boxershorts marschieren die Hamburger über die Bühne, stellen behaarte Plauzen zur Schau und singen "Dicker Bauch". Sie fahren mit dem Tandem in einer grellweißen Kulisse im Kreis. In einem Gummiboot rudern sie über die Köpfe der Fans hinweg, schenken ihnen ein "Herz aus Hack" und anschließend eine Wodkadusche.
Viele aktuelle Titel, aber auch Stücke älterer Alben performen "Deichkind" in Balingen. Immer dabei: blinkende LED-Lichter, Bässe und Electrosounds, die einem in Kopf und Trommelfell hämmern. Der Auftritt von "Deichkind" war ein Kindergeburtstag für Große. Laut, rebellisch und ohne Elternaufsicht.
Eins allerdings ist unklar: Was sollen die teilweise doch überraschend tiefgründigen Textparts zwischen dem Nonsense-Geprolle? Überreste aus einer Zeit, in der Deichkind noch echten Hip-Hop machten?
Es passt so gar nicht zu ihrem neuen, einer breiteren Masse zugänglichen Selbstverständnis. Ohne diese Parts wäre die Ballermann-taugliche Performance-Kunst "leider geil" gewesen.