Schüler des Gymnasiums Balingen besuchen Konzentrationslager Dachau, wo in der Nazizeit mehr als 41 000 Menschen starben

Von Isabelle Holocher, Larissa Katz, Katharina Kiefel, Juliana Ludwig, Lukas Stickel und Tanja Wipfler

Balingen, kurz vor sieben Uhr morgens. Der Bus steht bereit zur Abfahrt nach Dachau, zurück in Deutschlands dunkelste und grausamste Zeit, die Zeit des Nationalsozialismus. Auf der Hinfahrt herrscht unter uns Schülern eine ausgelassene Stimmung, was allerdings nicht für den ganzen Tag so bleiben wird.

Bei unserer Ankunft in Bayern zeigt das Thermometer 9 Grad, ein warmer Westwind lässt uns schwitzen. Als wir, die Schüler der Klasse 9c des Gymnasiums Balingen, das massive Eisentor des KZ mit der zynisch wirkenden Inschrift "Arbeit macht frei" öffnen und das riesige Gelände betreten, durchfährt uns ein eisiger Schauer. Der Gedanke, dass durch dieses Tor Tausende von Häftlingen geschritten und nicht mehr lebend zurückgekehrt sind, verursacht ein beklemmendes Gefühl, das durch die Gedenktafeln an den Wänden des Torbogens noch verstärkt wird. Sie machen uns die schreckliche Unmittelbarkeit des Todes bewusst.

Immer wieder sieht man auch den Stacheldrahtzaun, der um das Gelände gespannt ist, sowie viele Infotafeln mit Bildern der damaligen Zeit, die einen erschreckenden Einblick in die früher dort ausgeübten Grausamkeiten geben.

Zwölf Jahre und 41 500 Tote: Exakt so lange gab es das Konzentrationslager Dachau, und genau so viele Menschen mussten dort qualvoll ihr Leben lassen. Heute ist dieser Ort, an dem zwischen 1933 und 1945 die SS-Männer mordeten, ein Ort des Gedenkens, der Erinnerung und der Trauer. Vor dem internationalen Mahnmal des jugoslawischen Künstlers Nandor Glid treffen wir unseren Führer, einen Mann mittleren Alters, der von Beruf Lehrer ist und nebenbei Schulklassen das Gelände und die Gebäude des ehemaligen KZ zeigt.

Sehr sachlich schildert er den Tagesablauf der damaligen Häftlinge. Wir hören seinen Ausführungen gebannt zu und erfahren, dass die Gefangenen im Sommer bereits um 4 Uhr geweckt wurden, im Winter um 5 Uhr. Innerhalb von 30 Minuten mussten sie sich waschen, ihre Betten machen und frühstücken. Anschließend hatten sie sich sofort auf den Appellplatz zu begeben und sich in Reih’ und Glied aufzustellen, damit die Wärter die Anwesenheit eines jeden überprüfen konnte. Dieser Prozess dauerte oft über eine Stunde. Fehlte jemand, so mussten alle länger stehen. Und wenn ein Häftling einen Fluchtversuch gewagt hatte, so mussten sämtliche Mitbewohner seiner Baracke zur Strafe noch länger stehen und zusehen, wie dieser nach dem Ergreifen gefoltert wurde.

Die drei gefürchtetsten Strafen waren der Baum, der Bunker und der Bock. Der Baum war in Wirklichkeit ein Holzpfahl, an dem die zu bestrafenden Häftlinge an den Händen aufgehängt wurden. Nicht selten sprangen die Schultern dabei aus den Gelenken und es dauerte Monate, bis man wieder richtig arbeiten konnte, was aber schon am nächsten Tag verlangt wurde.

Der Bunker war weniger schmerzlich, aber genauso gefürchtet: In einem dunklen, engen Raum wurde man zum Teil länger als zwei Wochen eingesperrt. Essen gab es selten, und manchmal drehte die SS die Heizung ab, was im Winter natürlich besonders schrecklich war. Der Tscheche Josef Ulc erzählt von seinem Aufenthalt im Bunker: "Ich wurde nun in eine dunkle Zelle gesperrt, in der ich 14 Tage zubringen musste. Es war schrecklich, ganz alleine in vollständiger Dunkelheit zu sein. Drei Tage musste ich hungern, dann endlich, am vierten Tage bekam ich etwas zu essen. Ich wusste nie, wie spät es war, manchmal war das fast zum Verrücktwerden. Meine Unterhaltung war, dass ich mir mein eigenes Leben erzählte, ich erinnerte mich an meine Festnahme, als ich von meinem Geigenspieler denunziert worden war; sonst sang ich leise alle möglichen Opern- und Operettenmelodien, dann Schlager, und erfand selbst neue Melodien. Und ständig sprach ich etwas, zählte meine Schritte, sitzen war nicht gestattet. Oft fasste ich mich an die Stirn und fragte mich, ob ich noch klar von Verstande wäre."

Den so genannten Bock kann man sich als eine Art Holztisch mit einer gebogenen Fläche vorstellen. Vorne wurden die Hände, an den Tischbeinen die Füße fixiert, und ein SS-Offizier schlug drauf los. Üblich waren 25 Hiebe, in grausameren Zeiten das Doppelte. Wenn die Strafe vollzogen war, war der Rücken des Häftlings geschunden und meistens offen und blutig.

Verschiedene Kategorien von Gefangenen befanden sich in Dachau: nicht nur Verbrecher, sondern auch Juden, Priester, Dissidenten und Homosexuelle. Erkennbar waren die verschiedenen Häftlingsgruppen an den unterschiedlichen Kennzeichen auf ihrer Kleidung. So bekamen Kriminelle beispielsweise ein grünes und Homosexuelle ein rosa Dreieck aufgenäht. Nach dem Morgenappell, der manchmal bis zu vier Stunden andauern konnte, hatten die Häftlinge den ganzen restlichen Tag Schwerstarbeit zu leisten, bevor sie sich spätabends in ihren winzigen Baracken niederlassen konnten.

Zwei der ursprünglich 34 Baracken wurden restauriert. Diese wirken von innen beängstigend klein, wenn man bedenkt, dass hier insgesamt einmal 30 000 Häftlinge hineingepfercht wurden. Gegen Ende der Führung besuchten wir noch die Krematorien und die sogenannte Baracke X, die etwas abseits des restlichen Geländes liegen. Schweigend und sichtlich betroffen gehen wir – wie viele andere Besucher – durch die Gebäude, in denen tausende Menschen getötet und verbrannt wurden, wo an einigen Häftlingen brutale Unterkühlungsversuche und andere Experimente von SS-Ärzten durchgeführt wurden, und lassen die Atmosphäre auf uns wirken. Danach ist der Rundgang beendet, und wir begeben uns zum Internationalen Mahnmal zurück.

Unser Führer bedankt sich für unsere Aufmerksamkeit und bittet uns darum, nicht zu klatschen. "Arbeit macht frei" – tief beeindruckt, berührt und auch geschockt verlassen wir durch das große Eisentor das Konzentrationslager Dachau wieder in Richtung Parkplatz zu unserem Reisebus und treten die Rückreise nach Balingen an. Als Mahnung und Forderung nehmen wir die beiden Worte mit: nie wieder.

u  Die Autoren sind Schüler der Klasse 9c am Gymnasium Balingen.