Die Bläser des Posaunenchors Balingen und Heselwangen während der Feierstunde in der Balinger Stadtkirche. Foto: Meinert Foto: Schwarzwälder Bote

Religion: Posaunenchor Balingen und Heselwangen gestaltet Feierstunde / Dekan Widmann übernimmt die Lesung

Balingen. "Dies ist heute kein Gottesdienst und kein Konzert, sondern eine Posaunen-Feierstunde und damit eine eigene Form der Liturgie" – mit diesen Worten hat der evangelische Dekan Beatus Widmann die zahlreichen Zuhörer begrüßt, die zur "Bläsermusik am Reformationstag" in die Balinger Stadtkirche gekommen waren. Mit einer erweiterten Textversion zu Psalm 150 machte Widmann deutlich, dass das musikalische Gotteslob eine lange Tradition und viele unterschiedliche Gesichter habe.

Zuvor hatte das Geläut der Stadtkirche einschließlich der majestätisch klingenden "Gloriosa"-Glocke auf die Feierlichkeit des Anlasses eingestimmt und dann der Posaunenchor Balingen und Heselwangen die Feierstunde mit der "Reformationsintrade" von Friedrich Veil eröffnet. Der 1984 geborene Komponist verarbeitet in seiner Einzugsmusik die drei Luther-Choräle "Nun freut euch, lieben Christen g’mein", "Ein feste Burg ist unser Gott" und "Verleih uns Frieden gnädiglich". Sodann musizierten die Bläser unter der Leitung von Bezirksposaunenwart Jürgen Stengel den Bach-Satz "Der Herr ist mein getreuer Hirt" in einer Bearbeitung von Hans-Ulrich Nonnenmann, in der sich die hohen Bläser mit reich verzierten Melodieführungen über einem majestätisch getragenen Grundgerüst der tiefen Bläser erhoben.

Mit drei Sätzen aus der "Capriol-Suite" von Philip Heseltine wechselte der Posaunenchor von der Choral- zur Tanzmusik: In seiner Suite beschreibt Warlock unterschiedliche Tanzformen, die vom Posaunenchor teils schwungvoll, teils würdig getragen und teils leichtfüßig vorgetragen wurden.

Wer ernsthaft und mit Hingabe sanftmütig sei, werde durch die Barmherzigkeit Gottes selig, verkündete Beatus Widmann in seiner Lesung über die Menschenfreundlichkeit und Liebe Gottes. Beim nachfolgenden Gemeindelied "Wenn Glaube bei uns einzieht" aus dem neuen Liederbuch kam neben Bläsern und Gemeinde erstmals auch die Orgel zum Einsatz. Den beschwingten Duktus des Gemeindelieds führten die Bläser mit dem Stück "Samowar" fort: Das von Tim Reichert komponierte Stück lehnt sich an russische Volks- und Popularmusik an und erntete vom Publikum einen Sonderapplaus. Der 1997 geborene Komponist studiert in Tübingen Musikwissenschaft und ist aktiv dabei im Posaunenchor Balingen und Heselwangen, der das Stück als Uraufführung zu Gehör brachte.

Der zweite Sonderapplaus folgte für das Orgelstück "Sortie" von Louis Lefébure-Wély, mit dem Bezirkskantor Wolfgang Ehni des 150. Todestages des französischen Komponisten gedachte: Das in atemberaubendem Tempo vorgetragene Werk lässt weniger an eine Ausgangsmusik denken, wie es der Titel vermuten ließe, sondern erweist sich als eine den bunten Trubel eines Jahrmarktes widerspiegelnde Tonsprache, die stellenweise an die früher übliche Orgelbegleitung von Stummfilmen erinnert.

Mit "Wach auf, mei Herz, und singe" von Christian Sprenger präsentierten sich Bläser in einer modernen Tonsprache: Nach einem sinfonisch anmutenden, siebenstimmigen Einstieg folgt ein gefühlvoller Klangteppich, zu dem Dekan Widmann den 1647 von Paul Gerhardt verfassten Text zum gleichnamigen Kirchenlied rezitierte. Auch die nachfolgende Lesung widmete Widmann dem Textdichter Gerhardt: Dessen vor 400 Jahren unter den Eindrücken des 30-jährigen Kriegs entstandenen Worte hätten, so Widmann, bis heute nicht an Aktualität und Alltagsbezug verloren.

Mit dem zweiten Gemeindelied "Allein deine Gnade genügt", ebenfalls aus dem neuen Liederbuch, vereinten sich Posaunenchor, Orgel und Gemeinde erneut zum gemeinsamen Gotteslob. Nach dem Abendsegen durch Dekan Beatus Widmann, dessen Text durch das 20-Uhr-Läuten der Glocken bekräftigt zu werden schien, verabschiedete sich der Posaunenchor mit "One more Dance" von Michael Schütz: Das im Klezmer-Stil komponierte Werk erwies sich als munterer Kehraus.