Eine Kostbarkeit: Mit Fabelwesen und einer Jagdszene verziert ist das aus dem Horn des Auerochsen gefertigte Hirtenhorn, das Manfred Stingel für das Haus der Volkskunst erworben hat. Es wurde im 17. Jahrhundert geschaffen. Fotos: Erb Foto: Schwarzwälder-Bote

Verziertes Hirtenhorn aus dem 17. Jahrhundert weiterer Baustein für ein lebendiges Museum in Dürrwangen

Von Claudius J. Erb Balingen-Dürrwangen. Das Hirtenhorn gerät zunehmend in Vergessenheit. In Dürrwangen aber macht das Signalinstrument Karriere. Im Haus der Volkskunst entsteht derzeit ein lebendiges Museum, das durch einen Glücksgriff nun um eine Rarität reicher ist.Auf den ersten Blick sieht das eher unscheinbar aus, was Manfred Stingel da stolz in Händen hält. Aber eben nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten sind eine fein gearbeitete Jagdszene, ein Wappen sowie Fabelwesen zu erkennen.

Eine Expertise outet das einstige Arbeitsgerät eines Jägers endgültig als Kostbarkeit. Es wurde aus dem Horn des in diesen Breiten längst ausgestorbenen Auerochsens angefertigt, stammt wohl aus Nürnberg und wurde im 17. Jahrhundert geschaffen.

3500 Euro hat der Kulturratsvorsitzende dafür hingeblättert. Ein stolzer, aber durchaus angemessener Preis und eine gute Wertanlage, versichert Manfred Stingel. Vor allem aber ist es ein wichtiger Baustein für das Bestreben, die Geschichte des Hirtenhorns zu bewahren.

In nahezu allen Gebieten, in denen Viehwirtschaft und das damit verbundene Hütewesen betrieben wurden, waren solche Hörner notwendiges Arbeitsgerät und somit Attribut des Hirten. Damit wurden Signale gegeben oder vor Gefahren gewarnt. Mit dem Niedergang der Weidewirtschaft verschwand aber auch das Hirtenhorn immer weiter von der Bildfläche.

Vor einigen Jahren nun hat sich das Haus der Volkskunst in Dürrwangen auf diese Tradition besonnen. Ins Landesfest des Schwäbischen Albvereins in Bad Urach wurde das Instrument in diesem Jahr eingebunden und jüngst auch in die Schwäbische Weihnacht, die in der Balinger Stadtkirche gefeiert wurde. Vor allem aber hat das Haus der Volkskunst in jüngster Vergangenheit bereits mehrere Baukurse angeboten. Die Resonanz war enorm. Dutzende Hörner sind entstanden.

Manfred Stingel holt tief Luft und bläst in ein dünneres, aber deutlich längeres Exemplar. Rein und gehörig laut klingt das Horn. Es ist zu hören, dass Stingel seit geraumer Zeit jeden Tag übt auf den historischen und selbstgebauten Instrumenten. Den Chef der Frommerner Volkstanzgruppe hat regelrecht das Hirtenhorn-Fieber erfasst. Seit etwa drei Jahren ist er dem Instrument und seiner Historie auf der Spur. Schon etliche Fundstücke dieser Suche sind im Jetter-Haus zu bewundern. Rare Stücke, darunter etwa fränkische Instrumente aus Horn und Holz, sind hinter Glas zu bestaunen. An der Wand gegenüber hängen Nachbauten aus ganz Europa, unter anderem aus Österreich, Slowenien, Litauen und Schweden. Außerdem belegen Bildquellen die lange Tradition und einst große Bedeutung des Hirtenhorns.

Auf Votivtafeln des 15. Jahrhunderts, im Marienportal des Ulmer Münsters, auf der Rottweiler Pürschgerichtskarte von 1564 oder auf im "Jüngsten Gericht" des um 1060 geschaffenen Fresko in der Burgfeldener Michaelskirche sind solche Hörner verewigt. Spannend sind auch die Geschichten, die Stingel über Hirtenhörner zu erzählen weiß. In Rumänien etwa seien sie reine Signalhörner und somit "Handy-Vorläufer", hierzulande gemeinsam mit dem Dudelsack "Vorläufer unserer ganzen Blaskapellen" gewesen. Jedes Exemplar verfüge über eine ganz eigene Klangfarbe. Bevorzugter Rohstoff sei das Wacholderholz gewesen. Drakonische Strafen habe es einst für Holzfrevel gegeben. Der dornige Wacholder aber konnte bedenkenlos für den Instrumentenbau verwendet werden.

Keine Frage: Stingel und sein Team brennen fürs Thema Hirtenhorn. Deshalb soll das, was derzeit "im Aufbau begriffen" ist, "für Balingen etwas Besonderes" und "ziemlich einmalig" werden. Werkstatt und Scheuer des Jetter-Hauses verwandeln sich sukzessive in ein "lebendiges Museum", in dem Hirtenhörner bestaunt, gebaut und gespielt werden können.

Einweihung soll im Oktober mit einem Musikantentreffen sein.