Pfarrerin Kristina Reichle und Kirchengemeinderat Ferdinand Ehni begutachten den Schaden an der erst im vergangenen Jahr für knapp 90.000 Euro erneuerten Orgel. Foto: Schnurr

Unbekannter kippt Wasser in Orgel, reißt Altarbehang herunter, wirft Tische um und zerbricht Kerzen.

Balingen - Diese Sachbeschädigung kommt einem Anschlag gleich: Ein noch unbekannter Täter hat am helllichten Tag Wasser in die Orgel der Stadtkirche gekippt und weitere Verwüstungen angerichtet.

Pfarrerin Kristina Reichle ist schockiert: "Sowas habe ich in 30 Jahren als Pfarrerin noch nicht gesehen."

Am Mitwochmittag ist der Unbekannte in die tagsüber geöffnete evangelische Kirche gegangen und hat dort gewütet. Er warf Tische mit Broschüren um, verstreute die Druckwerke im Kirchenschiff, zerbrach Kerzen, riss den Parament (Behang) vom Altar und trampelte darauf herum. Die dort liegende Bibel blieb seltsamerweise unangetastet.

Schlimmer noch: Aus einem Behälter, möglicherweise einer Flasche, kippte er mitgebrachtes Wasser über die Manuale der Orgel. Das Instrument ist normalerweise verschlossen, die Schlüssel lassen sich aber finden, wenn man weiß, wo man schauen muss.

Bezirkskantor Wolfgang Ehni, der um 13.30 Uhr zum Orgelunterricht kam, bemerkte den Schaden als Erster: Die Tasten waren nass und sind teils schwergängig geblieben, Wasser ist ins Instrument gedrungen, Töne bleiben "hängen". Für Konzerte ist das Instrument mit 3882 Pfeifen vorerst nicht zu gebrauchen. Ehni hörte noch jemanden aus der Kirche eilen, konnte des Täters aber nicht mehr habhaft werden.

Vor kurzem erst hatte die Kirchengemeinde einen Ständer mit Gebetskerzen aufgestellt und die Öffnungszeiten verlängert (wir haben berichtet). Von 9 bis 17 Uhr war das Gotteshaus in der Balinger Stadtmitte seither geöffnet gewesen. Normalerweise seien in dieser Zeit Menschen gekommen, die beteten oder die Stille suchten, sagt Reichle.

Doch mit diesem Angebot, zur Ruhe zu kommen, ist seit gestern Schluss: Auch als Signalwirkung bleibt die Stadtkirche außerhalb der Gottesdienste für vorerst vier Wochen geschlossen.

"Wir müssen uns erstmal berappeln. Mich schlaucht das persönlich. Das ist eine brutale Enttäuschung", macht die Pfarrerin ihren Gefühlen Luft. Es müsse ein "Verrückter" gewesen sein, meint sie, oder jemand "mit einer offenen Rechnung mit der Kirche".

Einen möglichen Hinweis auf den Missetäter gibt es allerdings: Unweit des Altars, zwischen den Bänken liegend, fand sich ein handgeschnitztes, einfaches Kreuz. Eventuell hat der Unbekannte dieses zurückgelassen, als er den Kirchenmusiker von der Empore heruntereilen hörte.

Die offensichtlichen Schäden hat Mesner Gerhard Breiser inzwischen aufgeräumt. Der Defekt an der Orgel hingegen lässt sich nicht so einfach beseitigen. Ein Orgelbauer soll schauen, wie schlimm dieser und was zu tun ist. Und dann stellt sich für die evangelische Kirchengemeinde die Frage: "Wer soll das bezahlen?" Ob eine Versicherung den Schaden abdeckt, war gestern noch unklar.