Auf die Plettenbergschule könnte noch mehr Ärger zukommen. Denn ein Prüfling erwägt juristische Schritte. Foto: Schnurr

Konkurrierende Physiotherapie-Schulen sind empört. Regierungspräsidium: keine Antworten zur Gemeinnützigkeit.

Balingen-Engstlatt/Tübingen - Der Plettenbergschule und ihrer Leiterin Birgit Schultheiß könnte, noch während die Ermittlungen des Regierungspräsidium zu den Vorfällen um das jüngste, für ungültig erklärte Staatsexamen andauern, weiterer juristischer Ärger ins Haus stehen. Einer der Prüfungsteilnehmer will sein Staatsexamen nicht mehr an der Plettenbergschule ablegen und hat einen Konstanzer Anwalt eingeschaltet, der mögliche Schadenersatzansprüche prüfen soll. Denn: Beim Schulwechsel stellte sich heraus, dass trotz guter bis durchschnittlicher Noten für den einstigen Balinger Prüfling der Titel "Staatlich anerkannter Physiotherapeut" und der Einstieg in den Beruf in die Ferne gerückt ist.

Der aktuelle Wissensstand reicht für eine Anmeldung zum Staatsexamen in diesem Jahr an der neuen Schule nicht aus. Denn dort hängt die Messlatte höher.

Der Konstanzer Jurist bestätigte gestern gegenüber unserer Zeitung, dass er unter Umständen deshalb nicht nur das Schulgeld für die weitere Ausbildung, sondern auch das entgangene Physiotherapeuten-Gehalt bei der Plettenbergschule einfordern will.

Konkurrenten beobachten den Fall aufmerksam

An anderen Physiotherapieschulen im Land wird der Balinger Fall inzwischen sehr aufmerksam und kritisch verfolgt. Dass das Regierungspräsidium Tübingen in seiner sechsseitigen Stellungnahme davon ausgeht, dass die Prüfungsfragen an der Plettenbergschule im Vorbereitungsunterricht an die Schüler gelangt sind, kommentiert einer der von uns befragten Schulleiter mit: "Ja, Betrug. Kurz und knapp. Ich hoffe, dass das nicht folgenlos bleibt." Und er betont die Regeln, an die sich alle halten sollten: "Ich muss beim Regierungspräsidium unterschreiben, dass nur ich Zugang zu dem E-Mail habe, in dem mir das RP die Prüfungsfragen zuschickt."

Da macht sich unter den Schulleitern und Medizinern Verwunderung oder gar Empörung breit. Schließlich stehen die 34 staatlich anerkannten Ausbildungsstätten, verteilt auf die vier Regierungsbezirke Tübingen, Karlsruhe, Stuttgart und Freiburg, in direkter Konkurrenz zueinander. Angesichts geburtenschwacher Jahrgänge wird um interessierte, geeignete und zahlungskräftige Schüler geworben.

Bis zum Staatsexamen muss ein angehender Physiotherapeut in drei Jahren etwa 15 000 bis 17 000 Euro für seine Ausbildung aufbringen. Und wer so viel bezahlen muss, der wählt vielleicht am liebsten eine Schule, der der Ruf vorauseilt, die Latte nicht ganz so hoch zu hängen. Vorgeschrieben sind 2900 Unterrichtsstunden á 45 Minuten und 1600 volle Praktikumsstunden. Der Schwierigkeitsgrad bleibt aber wohl doch weitgehend der Schule selber überlassen.

"Wir verlangen viel", bestätigt Patrick t‘Kindt von der Motima Schule in Villingen-Schwenningen. In diesem Jahr seien es 20 Prüflinge zum Staatsexamen gewesen von 31, die die Ausbildung einst begonnen hatten. Auch bevor sie ihre Schüler in den praktischen Teil entsenden, wollen die Verantwortlichen in Villingen-Schwenningen wissen, dass das Grundwissen sitzt und der Physiotherapeut dem Patienten, mit und an dem er medizinisch arbeiten muss, nicht gar schadet, betont t´Kindt.

Obwohl die Ausbildung von Physiotherapeuten ein umkämpfter Markt ist und private Schulen privatwirtschaftliche Unternehmen mit Geschäftsführer, ist die Plettenbergschule nicht nur "staatlich anerkannt". Sie führt zudem auch den Titel "gemeinnützig" vor der Bezeichnung Gmbh.

Das bedeutet, sie kann Anträge auf Befreiung von der Körperschafts- und der Gewerbesteuer stellen und es gibt möglicherweise auch Zuschüsse von Bund und Land, an die eine Schule, die nur als GmbH firmiert, vielleicht nicht herankommt.

Wer bei der Plettenbergschule jedoch auf Gemeinnützigkeit erkannte, darüber scheint zwischen dem Regierungspräsidium und dem Finanzamt Verwirrung zu herrschen. Auf Anfrage unserer Redaktion bestätige Wilhelm Kallenberg, Leiter des Balinger Finanzamtes, dass die Rechtsform der gGmbH sehr selten sei. Das Regierungspräsidium, so Kallenberg, sei die Behörde, die diesen Status vergeben müsse. Wenn das erfolgt sei, überprüfe das Finanzamt noch einige interne Zahlen in dem Unternehmen.

Der "Schwarzwälder Bote" wollte deshalb vom Regierungspräsidium wissen, wann die Plettenbergschule Gemeinnützigkeit beantragt hat, wann sie gewährt worden ist und ob sie nun wegen der Unregelmäßigkeiten und Auffälligkeiten von den Juristen des RP erneut überprüft wird. Sprecher Oliver Knörr: "Diese Fragen müssen Sie alle an das zuständige Finanzamt richten. Die müssten das wissen, wir können das gar nicht beantworten."