Bekennender Fan des EU-Parlaments: Dieter Heidtmann bewirbt sich auf der Liste der Landes-SPD um ein Mandat in Brüssel. Foto: Ungureanu Foto: Schwarzwälder Bote

Wahl: Dieter Heidtmann bewirbt sich am 26. Mai auf der Liste der Landes-SPD um einen Sitz im Europaparlament

Er ist evangelischer Pfarrer, promovierter Politikwissenschaftler, Quereinsteiger in die Politik und begeisterter Europäer: Dieter Heidtmann geht als einer von vier Spitzenkandidaten der Landes-SPD bei der Europawahl ins Rennen – als Vertreter der Region Südwürttemberg.

Zollernalbkreis. In seiner Jugend sei er politisch aktiv gewesen, erzählt der 56-Jährige, der mit seiner Familie in Ostfildern lebt und der "als württembergischer Pfarrer im Badischen arbeitet". Erst vor einem Jahr sei er Parteimitglied geworden. Mit Europa habe er sich allerdings schon seit längerem befasst – zunächst als Vertreter der evangelischen Kirchen in Brüssel, später fünf Jahre lang als Studienleiter für Wirtschaftspolitik in Europa.

Seit Jahren sei er ehrenamtlich tätig für Europa, sagt er. Unter anderem im Landesvorstand der parteiübergreifenden Europa-Union, zudem in verschiedenen Netzwerken. Sozialpolitik steht bei ihm vorne an. "Um zu wissen, wie eine Gesellschaft funktioniert", sagt er, "muss man sie mit den Augen der Schwächsten, von unten her anschauen."

Was ihn motiviert hat, sich für den Europarat aufstellen zu lassen? Bei einer Studienreise habe er in Brüssel erfahren, dass laut Umfrageergebnissen die demokratischen Parteien nur noch 20 Prozent Mehrheit gegenüber den Populisten und Antieuropäern haben. "Europa darf nicht kaputtgemacht werden", sagt er und erinnert an den Klimawandel und die Weltwirtschaftskrise. "Wer bestimmt in Zukunft die Weltwirtschaft?", fragt er, "Sind es die Chinesen? Die USA?" Dem könne nur durch enge Zusammenarbeit in Europa begegnet werden. Die Zukunftschancen junger Leute seien "extrem abhängig von Europa". Er selbst sei ein echter Fan des EU-Parlaments, gesteht er: Da werde transparent entschieden, jede Beratung sei öffentlich. "Das gibt’s in keinem Land und in keinem kommunalen Gremium."

Dass sich die SPD für eine Stärkung Europas einsetze, habe ihn überzeugt. Die Bildungs- und Sozialpolitik wolle er vorantreiben, Innovation und Digitalstrategie. Das, was man in Europa gemeinsam erreicht habe, sei nicht selbstverständlich – unter anderem die einheitlichen Roaming-Gebühren für Handy-Nutzung oder der Verbraucherschutz: "Europa prägt unseren Alltag mit."

Klar sei auch viel Bürokratie dabei, meint er, und erinnert schmunzelnd an die Krümmung der Gurken und die Brennbarkeit der Nachtwäsche. Auch Lobbyismus sei häufig im Spiel. Etwa bei der Diskussion um den Einsatz von Glyphosat. Aber Demokratie dürfe nicht verkauft werden. Die Menschen würden zuweilen die vielen Auflagen und Einschränkungen kritisieren: "Sie sehen nur, was von ihnen verlangt wird, und vergessen dabei, was ihnen alles erspart bleibt." Sie fühlten sich von der Politik im Stich gelassen. Das sei Wasser auf die Mühlen der Populisten und Nationalisten. "Wir dürfen Europa nicht diesen Menschen überlassen."

Er selbst ist viel in der Arbeitswelt unterwegs und weiß: "Die EU sichert die Standards, die Rahmenbedingungen, die Entlohnung, den Wettbewerb und die Arbeitssicherheit." Sein Wunsch: ein europaweiter Mindestlohn. Dass wirtschaftliche Fragen auf EU-Ebene, soziale Fragen hingegen auf Ebene der Mitgliedsstaaten entschieden werden, führe zu Konflikten.

Frühkindliche Erziehung – zum Beispiel bezahlbare Krippenplätze – sei in anderen Ländern selbstverständlich. Aber der Versuch, es in die Leitlinien der Landesregierung zu bekommen, sei gescheitert. "Der Bereich ist extrem wichtig, wenn es um die Zukunft geht."

Ökologische Landwirtschaft müsse stärker gefördert werden, sagt Heidtmann, der Sohn eines Landwirts ist: "Ich kann nicht verstehen, dass sich der Bauernverband nur für die Großen einsetzt, anstatt für die kleinen Familienbetriebe."

Weiteres großes Thema: der Frieden in Europa. 1976 sei er zum ersten Mal damit konfrontiert worden: Innerhalb des Schüleraustauschs sei ein französischer Austauschpartner nach Deutschland gekommen. "Meine Mutter wollte ihn zunächst nicht ins Haus lassen. Für sie waren die Franzosen immer noch die Erbfeinde."

Freizügigkeit, Binnenmarkt – alles nicht selbstverständlich. Man müsse etwas dafür tun, "dass es weitergeht". Um das auch jüngeren Menschen klar zu machen, hat Heidtmann ein kleines Buch im Manuela Kinzel Verlag veröffentlicht. "Eine Seele für Europa", heißt es. Es ist ein "Plädoyer für eine neue europäische Leidenschaft". Der Titel erinnert an den Satz des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors nach dem Fall des Eisernen Vorhangs: "Wir müssen Europa wieder eine Seele geben."