Aufsatz wird von Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit als "antisemitische Jauche" kritisiert

Balingen (gu). Mit seinem Aufsatz "Vom Nationalgott Jahwe zum Herrn der Welt und aller Völker", der im Deutschen Pfarrerblatt erschienen ist, hat der ehemalige Balinger Stadtpfarrer Jochen Vollmer eine bundesweite Diskussion ausgelöst.

Kritiker aus den Reihen der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit werfen dem promovierten Theologen "antisemitische Jauche" vor, weil er die Legitimität des jüdischen Staats abstreite und die historischen Fakten für seine Zwecke zurechtbiege.

Befürworter des Aufsatzes argumentieren hingegen, dass Holocaust und Vertreibung zwar unsagbares Leid über das jüdische Volk gebracht hätten, aber keineswegs die Missachtung von Menschenrechten rechtfertigen würden.

"Keine Gabe Gottes, nicht die Tora und nicht das Land, steht über der Heiligkeit des Menschen", schreibt der 1939 geborene Theologe in seinem Aufsatz.

Weiter heißt es in dem Aufsatz: "Keine Gabe Gottes und kein Gebot Gottes kann die Vertreibung, Verletzung oder gar Tötung auch nur eines einzigen Menschenlebens rechtfertigen." Die Jahre 1947 bis 1949 seien für die Palästinenser die größte Katastrophe ihrer Geschichte gewesen, argumentiert der Theologe.

Über die sogenannte "Nakba" zu sprechen, sei in Israel unter Strafe verboten. Aber nur wenn sich Israel seiner Geschichte stelle und nicht nur die Erinnerung an den Holocaust einfordere, sondern auch die Erinnerung an die "Nakba" zulasse, wenn es das Land mit den Palästinensern zu teilen bereit sei, könne es eine friedliche Zukunft für Juden und Palästinenser geben.

Der Vorstand des Verbands evangelischer Pfarrer in Deutschland nimmt die Diskussion zum Anlass, als Herausgeber des Pfarrerblatts Stellung zu nehmen. Der Aufsatz gebe ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers wieder, heißt es darin.

Das Deutsche Pfarrerblatt sei ein "öffentlicher Sprechsaal" von Pfarrern für Pfarrer. Es bestehe darin Freiraum, theologische Sachdiskussionen zu führen – in aller Freiheit, auch in der Freiheit, mit der eigenen Position auf Widerspruch zu stoßen und von anderen korrigiert zu werden. Dieser Freiraum mache angreifbar, sei aber auch "die Stärke des Deutschen Pfarrerblatts, die wir erhalten möchten".

Die zahlreichen zustimmenden und ablehnenden Stellungnahmen sollen in der nächsten Ausgabe des Deutschen Pfarrerblatts veröffentlicht werden.

Der Vorstand des Verbands evangelischer Pfarrer in Deutschland werde sich nächste Woche in einer Sondersitzung mit dem Thema auseinandersetzen, schreibt der Verbandsvorsitzende Klaus Weber.