Seele auf Tisch: War immer lecker: Eine Bären-Seele schmeckte zu jeder Tages- und Nachtzeit. Das Nichtraucherschutzgesetz hat dem Snack nun den Garaus gemacht. Foto: Maier

Anordnung vom Amt: Balinger Kneipe "Bären" darf nach über 30 Jahren keine Seelen mehr verkaufen.

Balingen - Der Bär lehnt lässig an der Theke, er trägt Hawaii-Hemd, Shorts und Sandalen. Mit dem rechten Arm stützt er sich ab, in der linken hält er etwas, von dem er abbeißt: eine Seele.

Der essende Bär ist, neben dem trinkenden, rauchenden und schwätzenden Bär, Teil der Gemeinschaft, die Zeichner "Wiebe" 1988 zur Illustration der Getränke- und Speisenkarte der Balinger Kneipe Bären aufs Papier gebracht hat. Der Seelen-Bär steht auf der Zeichnung ganz rechts, doch was er isst, das gibt es nicht mehr. Der "Bären" hat, nach mehr als 30 Jahren, seine Seelen verloren.

Das Aus für den leckeren Snack kam bereits Mitte Juli per Anordnung des städtischen Amts für öffentliche Ordnung. Kurz zuvor hatte jemand die Seelen beim Amt angezeigt. Die belegten Dinger würden gegen die Speisen-Bestimmungen in Raucherlokalen verstoßen.

Bären-Wirt Martin Seemann blieb nichts anderes übrig, als die Zubereitung und den Verlauf der Seelen zu stoppen. Tatsächlich sind so genannte zubereitete Speisen in Raucherlokalen durch das baden-württembergische Nichtraucherschutzgesetz untersagt. Erlaubt sind in Einraumgaststätten wie dem "Bären" laut einer Auflistung in einem Merkblatt des städtischen Ordnungsamts lediglich "kalte Speisen einfacher Art" – beispielsweise belegte Brötchen, Butterbrezeln, Salate, kalte gekochte Eier oder Salzgebäck. Theoretisch könnten also auch belegte Seelen weiterhin verkauft werden – wenn sie nicht erwärmt würden. "Aber eine kalte Seele will doch kein Mensch", sagt Bären-Wirt Seemann.

Das Aus für die Seelen bedeutet im "Bären" das Ende einer langen Tradition, die Kneipe verliert damit einen Teil ihrer Identität, ihrer Seele. Uli Stegmaier, der die Kneipe 1977 übernommen hatte, setzte sie auf die Karte. Die Zutaten waren einfach, die Zubereitung ebenso – genau das machte sie so lecker. Mehr als drei Jahrzehnte lang schmeckten die Seelen den Gästen zum Frühstück, als kleines Mittagessen, als Snack zwischendurch, als Grundlage für flüssige Nahrung am Abend sowie als mitternächtliche Stärkung vor dem Nachhauseweg.

Zuletzt gab es sie in vier Varianten: mit Kräuterbutter, mit Salami oder Schinken und Käse überbacken oder als sogenannte Luxus-Version mit Tomaten und Blauschimmelkäse.

Bezogen hat der "Bären" die Seelen über all die Jahre von der Balinger Bäckerei Geiger. Zwischen 20 und 30 Stück wurden laut Martin Seemann zuletzt täglich unter dem Salamander-Grill auf Temperatur gebracht. Gut, manche waren manchmal etwas angekokelt, wenn die Bedienungen im Stress waren und sie vergaßen. Aber das war egal, das gehörte zur Seele dazu. Und nun? In der Getränke- und Speisenkarte sind die Seelen noch aufgeführt, aber verkauft werden sie nicht mehr. Nun kommt im "Bären" auf den Tisch, was sich mit dem Landesnichtraucherschutzgesetz vereinbaren lässt: Käseauswahl und Debreziner Würstchen mit Brot, Fleischküchle, geräucherter Stremellachs mit Meerrettich und Oliven. All das mag auch lecker sein – gleichwohl gilt: Die gute, alte Seele kann nichts ersetzen.