Auf der Brücke über die B27 in Engstlatt steht Klaus Jetter Jonas Schreijäg und Tobias Zwior Rede und Antwort zur Verkehrs- und Lärmbelastung und zu den nun geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen. Die NDR-Reporter fertigen einen Beitrag in der Rubrik "Realer Irrsinn" für die Satiresendung "extra3". Foto: Maier

Satirischer Beitrag über Geschwindigkeitsbegrenzungen auf "Lebensader" des Zollernalbkreises. Mit Video

Zollernalbkreis - Donnerstagmittag, kurz nach 12 Uhr. In der Bäckerei Koch in Engstlatt herrscht Hochbetrieb. Leute sind dort zum Mittagessen, Handwerker holen sich einen Snack, verkleidete Kinder ein Fasnetsküchle. Ganz und gar nicht im närrischen, dafür im satirischen Auftrag sind zwei Reporter des Norddeutschen Rundfunks (NDR) vor Ort: Sie wollen wissen, was die Engstlatter zu den neuen Geschwindigkeits-Regeln auf der Bundesstraße 27 meinen.

Vertreter eines Autohauses meint: "Freie Fahrt für freie Bürger!"

Seit neuestem gilt auf der sogenannten Lebensader des Zollernalbkreises eine neue Zeitrechnung, es ist ein wahrer Flickenteppich: Galt bis vor kurzer Zeit zwischen Balingen-Nord und der Kreisgrenze in Richtung Bodelshausen noch durchgängig Tempo 120, so hat die Klage des Frommerner Unternehmers Albert Sauter und der Vergleich, der vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen geschlossen wurde, die Lage verkompliziert. Das gilt besonders für Engstlatt: Auf dem dortigen B 27-Teilstück darf man nun tagsüber 130 Stundenkilometer schnell fahren, nachts allerdings maximal 120. Das kommentieren viele Menschen in der Region mit einem Kopfschütteln.

Diese verzwickte Tempo-Lage schlägt mittlerweile Wellen weit über den Zollernalbkreis hinaus – sogar bis in den ganz hohen Norden, zum NDR mit Sitz in Hamburg. Wobei: Dass es dorthin Wellen schlug, hat mit dem Reporter zu tun, der am Mittwoch und Donnerstag mit seinem Kollegen Tobias Zwior durch den Landkreis tourte: Jonas Schreijäg, der aus Bisingen stammt. Seine Kollegen in Hamburg überzeugte er allerdings recht schnell von der Posse, die sich da weit unten im Süden abspielt.

Wie sehr das Thema Geschwindkeit auf der Bundesstraße 27 die Gemüter bewegt, wird in der Bäckerei Koch schnell deutlich. Chef Thomas Koch meint, dass die bisher gültige durchgängige Beschränkung auf 120 Stundenkilometer sinnvoll gewesen sei, diese Geschwindigkeit sei auch "völlig ausreichend". Die Klage von Albert Sauter gegen diese Beschränkung sei "nicht nachvollziehbar". Dass es nun unterschiedliche Tempolimits gebe, sei für Autofahrer eine stressige Sache.

Der Vertreter eines regionalen Autohauses, der seinen Namen nicht nennen will, sieht’s ganz anders: 120-Tempolimit? "Das geht gar nicht". Er halte es mit dem Grundsatz "Freie Fahrt für freie Bürger". Tagsüber 130 – das sei "viel zu langsam", sagt er den NDR-Reportern in die Kamera und ins Mikrofon. Dass bei der Beschränkung auf 120 auch mit zurückgehenden Unfallzahlen argumentiert wurde, lässt der Mann nicht gelten: Diesen Zahlen glaube er nicht, die habe Landrat Günther-Martin Pauli nur vorgeschoben. Er fahre gern einmal mit 200 Stundenkilometern den Bisinger Berg hinauf. Auch er findet es verwirrend, dass nun "alle paar Meter" eine neue Höchstgeschwindkeit gilt. Kontrollen sollte es seiner Meinung nach keine geben, das sei "moderne Wegelagerei".

Auch unsere Reporter haben das Tempolimit auf der B 27 bereits unter die Lupe genommen:

Es entwickelt sich ein munteres Hin-und-Her: Der Engstlatter Unternehmer Thomas Schaudt entgegnet dem Autoverkäufer, dass er in seinem Zuhause schon frühmorgens vom Verkehrslärm auf der Bundesstraße geplagt werde. Schaudt sagt zudem, er finde es unverständlich, dass ein Einzelner wie Albert Sauter Erfolg mit seiner Klage haben konnte, wenn auf der anderen Seite viele Menschen aufgrund des Ergebnisses leiden müssten.

Wäre es nicht hellichter Tag, dann könnte man meinen, einer schönen abendlichen Stammtischdiskussion beizuwohnen. Das Thema Geschwindigkeit bewegt die Menschen – genau das war auch einer der Ansätze für den Besuch der Reporter des NDR: Sie fanden es einerseits skurril, dass ein Einzelner wie Albert Sauter eine neue Regelung erreichen konnte – und dass, andererseits, nun eigentlich niemand mit dieser neue Regelung zufrieden ist. Dieser Stoff, sagt Tobias Zwior, sei quasi wie gemacht für die Rubrik "Realer Irrsinn" der Satire-Sendung "extra3". Der Termin für die Aussendung des Beitrags aus dem Zollernalbkreis steht noch nicht fest.

Stimmen und Meinungen dazu haben die beiden NDR-Leute derweil nicht nur bei den Gästen der Bäckerei Koch und damit den Betroffenen, sondern auch bei Hauptakteuren eingeholt: Interviewtermine waren auch mit Kläger Albert Sauter vereinbart. Den Engstlatter Ortsvorsteher Klaus Jetter befragten sie auf der Brücke über die B 27, wobei es angesichts des Verkehrslärms fraglich ist, ob die Aufnahmen verwendet werden können.

Polizei hat Messungen vorgenommen – Blitzer unausweichlich?

Mit Landrat Pauli drehten Schreijäg und Zwior am Mittwoch nahe Hechingen unterhalb der Burg Hohenzollern, und sie trafen ihn auch am Donnerstag bei der Narretei im Landratsamt: Die Mitarbeiter des Verkehrsamts hatten sich als Tempolimits verkleidet. Pauli sagte in die Kamera, die Klage Sauters bewerte er als "grob unnötig". Und: Der Vergleich, was die Höchstgeschwindkeiten auf der Bundesstraße 27 und insbesondere die spezielle Tag-und-Nacht-Regelung nahe Engstlatt angehe, habe den "Charme einer Nacktschnecke".

Dass das Thema derweil noch weitere Wellen schlagen wird, ist absehbar. Am Donnerstag haben Polizeibeamte zum zweiten Mal seit Inkrafttreten des neuen Tempolimits auf Höhe Engstlatt Geschwindigkeitsmessungen vorgenommen. Ortsvorsteher Jetter kennt die Ergebnisse der ersten Messungen: Viele seien schneller gefahren als erlaubt. Sollte sich dieser Trend bestätigen, dann wird es wohl künftig stationäre Blitzer an der Bundesstraße geben.