Kann ein Mensch illegal sein? Einer Mutter und ihrem vierjährigem Sohn aus Balingen droht die Abschiebung. Foto: Archiv

Abschiebebescheid für Westafrikanerin mit vierjährigem Sohn. Unterschriftensammlungen laufen in Balingen.

Balingen - Jeden Morgen bringt Frau F. ihren vierjährigen Jungen in den Kindergarten. Von dort wird er von einer Tagesmutter abgeholt und betreut, bis Frau G. von der Arbeit kommt. Ein normaler Tagesablauf in einer scheinbar heilen Welt. Aber die heile Welt hat einen Riss bekommen: Der kleine Junge soll mit seiner Mutter abgeschoben werden nach Westafrika, ins Herkunftsland seiner Mutter. Am Donnerstag, 18. Juli, sollen Mutter und Sohn um 3.30 Uhr nachts abgeholt, in ein Sammellager gebracht und auf ein Flugzeug verfrachtet werden – in eine ungewisse Zukunft in einer fremden Heimat.

In der vergangenen Woche wurde der Abschiebebescheid zugestellt. Für Frau G., der vor acht Jahren die Flucht aus dem Bürgerkriegsgebiet gelungen war, brach eine Welt zusammen. Sie hatte sich in Deutschland ein sicheres Leben in Freiheit erhofft. Doch jetzt ist plötzlich die Angst wieder da.

Für die Erzieherin, die den Jungen in einem Balinger Kindergarten betreut, ist der Gedanke an das, was passieren könnte, geradezu haarsträubend: "Vor den Augen des Kindes wird die Mutter bei Nacht und Nebel in Handschellen abgeführt. Aber ich weiß, dass das nun mal so läuft", sagt sie. Mit dem Jungen habe es niemals Schwierigkeiten gegeben: "Er kommt mit den anderen Kindern gut klar, er ist ein liebenswerter Junge, alle mögen ihn", sagt sie. Er spreche übrigens besser Deutsch als viele andere Kinder im Kindergarten, zudem auch etwas Englisch: "Der Junge ist in Deutschland geboren, er kennt gar nichts anderes." Was die Erzieherin besonders beeindruckt: "Der Kleine ist sehr gut erzogen, er hält mir die Tür auf, das macht kein anderes Kind hier."

Bereits am vergangenen Donnerstag hatten die Eltern der Kindergartenkinder begonnen, Unterschriften zu sammeln. Allein am ersten Tag kamen 62 Unterschriften zusammen. Inzwischen hat die Aktion Wellen geschlagen. In den Balinger Schulen, bei der Lebenshilfe, in verschiedenen Institutionen, bei Vereinsfesten und sogar im Fitness-Studio werden Unterschriftenlisten geführt. Mittlerweile haben Hunderte unterschrieben für den kleinen Jungen und seine Mutter. Erst dadurch hat der vierjährige Sohn überhaupt davon erfahren: Seine Freunde im Kindergarten fragten ihn, warum er und seine Mutter von der Polizei abgeholt werden sollen.

Die Kirchengemeinde Balingen Ost hat sich mittlerweile der Sache angenommen. Ein Rechtsanwalt wurde eingeschaltet. Die Unterschriftenlisten gehen zusammen mit einem entsprechenden Bericht an die Härtefallkommission des Ministeriums für Integration Baden-Württemberg. Einen separaten Bericht haben auch die Tagesmütter angehängt. Darin wird der kleine Junge in den höchsten Tönen gelobt. Nach Angaben von Pfarrerin Angelika Schoblocher ist der Abschiebetermin vorerst aufgeschoben – bis eine Entscheidung der Härtefallkommission vorliegt.

Sozialdezernent Eberhard Wiget vom Balinger Landratsamt und die Balinger Ordnungsamtsleiterin Brigitte Witzemann, die auch für die Ausländerbehörde der Stadt zuständig ist, bestätigen, dass die Härtefallkommission das Ruder noch einmal herumreißen könnte, nachdem alle anderen rechtlichen Mittel ausgeschöpft seien. In der Regel folge das Innenministerium der Empfehlung der Kommission, sagt Wiget.