Albert Hagenbuch gestaltete den Wiederaufbau und den Aufschwung Balingens von 1955 an. Foto: Stadtarchiv

Zum 100. Geburtstag von Albert Hagenbuch, Balingens erstem OB / Lenker des Aufbaus in Wirtschaftswunderzeiten

Balingen. "Als ich im Jahr 1955 von Heilbronn nach Balingen gekommen bin, stand ich – wie nicht anders zu erwarten war – vor einem Berg von Aufgaben." Mit diesem Satz begann Albert Hagenbuch seine im Jahre 1989 verfassten Balinger Erinnerungen. Hagenbuch, der heute am 22. März vor 100 Jahren in Frankenbach (Kreis Heilbronn) geboren wurde, war der erste Oberbürgermeister der Stadt Balingen. Am 25. April 1955 trat er das Amt an, und dass sich die Balinger für ihn entschieden, sollte sich als eine sehr gute Wahl erweisen.

Das erste vom neuen Bürgermeister zu bewältigende Projekt war Balingens 700-Jahr-Feier im Herbst 1955. Sein Vorgänger, Bürgermeister Maurer, war im Januar zurückgetreten. An Festvorbereitungen war bis dahin kaum etwas organisiert, das gesamte Projekt war, realistisch betrachtet, eigentlich nicht bewältigbar – ganz abgesehen davon, dass Hagenbuch auch noch den Umzug der Familie nach Balingen organisieren musste. Bis Ende Juni wohnte Hagenbuch im Hotel Roller in der Bahnhofstraße. Dann kam die Ehefrau mit den zwei Kindern von Frankenbach, und die Familie bezog eine Wohnung im Kindergartengebäude Hermann-Berg-Straße. Als die Jubiläumsfeierlichkeiten dann doch termingerecht über die Bühne gegangen waren, hatte Albert Hagenbuch eine regelrechte Feuertaufe hinter sich.

Balingen war in den 1950er-Jahren eine kleine Stadt im Zeichen des Wirtschaftwunders. Die örtliche Industrie, vor allem die Metall-, Textil- und Lederindustrie, florierte. Nach den Bedrängnissen des Krieges und der Nachkriegszeit kehrte allmählich wieder etwas Wohlstand ein. Stark war der Bevölkerungszuwachs: Von 1946 bis 1955 stieg die Zahl der Einwohner um über 60 Prozent auf 10 800. Die Stadt platzte aus allen Nähten, Wohnraum war äußerst knapp. Der Frage der Wohnraumschaffung musste sich der neue Bürgermeister zwar als allererstes widmen, doch auch andere Bereiche der Infrastruktur harrten dringend eines weiteren Ausbaus.

Die Stadt hat in den 20 Jahren der Amtszeit Alfred Hagenbuchs eine stürmische Entwicklung genommen, hin zu einem leistungsfähigen Mittelzentrum – der Oberbürgermeister war dabei ein Motor mit unermüdlicher Antriebskraft. So wurden in dieser Zeit in Balingen mehr als 120 Hektar Bauland erschlossen und 2500 Wohnungen gebaut, mehr als 70 Kilometer Straßen gebaut und 50 Kilometer Wasserleitungen sowie 45 Kilometer Kanalisationsleitungen gelegt. Über die Eyach entstanden neue Brücken. Die Feuerwehr erhielt ein Gerätehaus, der Schlachthof wurde umgebaut, und der städtische Bauhof bekam ein neues Domizil. Erstaunliches tat sich im schulischen Bereich: 1957 wurde die Berufsschule fertiggestellt, 1964 die Längenfeldschule, 1969 das Gymnasium und 1972 die Realschule. Auch neue Kindergärten kamen auf Längenfeld und auf Schmiden hinzu. Der Architekturwettbewerb für die Stadthalle und das Eyachbad fand noch zu Hagenbuchs Zeiten statt, ebenfalls die konzeptionelle und planerische Inangriffnahme der Stadtkernsanierung. Welche Entwicklung die Stadt Balingen in den 20 Jahren unter Albert Hagenbuchs vollzog, veranschaulicht am besten deren Haushaltsvolumen: Betrug der ordentliche Haushalt im Jahre 1955 noch 2,4 Millionen Mark, so waren es 1975 satte 40 Millionen. Die Bevölkerung war in dieser Zeit von 10 800 auf 29 500 gestiegen.

Das Gelingen der Gemeindereform im Raum Balingen zwischen 1971 und 1975 war auch ganz entscheidend ein Verdienst von Albert Hagenbuch. Als Balingen am 1. Januar 1974 zur Großen Kreisstadt erhoben wurde, hatte die Stadt mit Hagenbuch dann auch erstmals einen Oberbürgermeister. Im Dezember des Jahres wurde Balingens Zusammenschluss mit Frommen und Weilstetten besiegelt.

Im März 1975 war dann die Oberbürgermeisterwahl fällig. Albert Hagenbuch kandidierte nach anfänglichem Zögern nochmals für das Amt, nachdem die Fraktionen des Gemeinderats erklärt hatten, auf die Aufstellung eigener Kandidaten zu verzichten. Trotzdem stiegen zwei weitere Mitbewerber in den Ring: Frommerns ehemaliger Bürgermeister Hans Uhl als unabhängiger Kandidat und Eugen Fleischmann aus Stuttgart für die SPD, der die Wahl dann gewann.

Die Niederlage war für Albert Hagenbuch ein Schock, und vieles in Verbindung mit dem Wahlkampf verletzte ihn bis tief ins Innerste. Ganz bestimmt war das Ergebnis kein Gradmesser für die Qualität der von ihm im Laufe von 20 Dienstjahren für die Stadt Balingen geleistete Arbeit. Der Unmut von Teilen der Balinger Bevölkerung über die Gemeindereform, insbesondere in den neu hinzu gekommenen Stadtteilen, hatte sich hier an der erstbesten demokratisch möglichen Stelle Luft gemacht. Albert Hagenbuch wurde letztendlich ein Opfer der von ihm im Interesse der Allgemeinheit bejahten und vorangetriebenen Gemeindereform.

Auf den Tag genau 20 Jahre nach seinem Amtsantritt, am 25. April 1975, wurde er aus dem Amt verabschiedet. Ein schwacher Trost wird ihm hierbei die Verleihung der Balinger Ehrenbürgerwürde gewesen sein. Den Ehrenring der Stadt hatte er bereits 1973 aus Anlass seines 60. Geburtstags erhalten. Als höchste Auszeichnung für sein vielfältiges kommunalpolitisches und ehrenamtliches Engagement folgte 1981 das Bundesverdienstkreuz.

Am 25. Dezember 1997 starb Albert Hagenbuch im Alter von 84 Jahren. Zahlreiche Gäste geleiteten ihn am Silvesternachmittag zur letzten Ruhe und nahmen Abschied von einem Menschen, der mit Offenheit, Ehrlichkeit und ungeheurem Fleiß für Balingen sehr viel geleistet hat.