Grünen-Landtagskandidat Erwin Feucht (links oben) diskutiert online mit Jürgen Greß, Johannes Kretschmann und Ernst Berger (im Uhrzeigersinn) sowie Danyal Bayaz.Screenshot: Ungureanu Foto: Schwarzwälder Bote

Wahlkampf: Grünen-Kandidat Erwin Feucht diskutiert online mit Vertretern des Handwerks und der Politik

Der Discounter verkauft Babybekleidung, dafür ist der Babykleiderladen zu. Beim Bäcker kann man einkaufen, darf aber nicht im neu eingerichteten Café frühstücken. Gevespert wird zuhause. Um das Handwerk in der Pandemie ist es beim Online-Talk mit dem Landtagskandidaten der Grünen, Erwin Feucht, gegangen.

 

Balingen. Zu Gast im Netz: Jürgen Greß, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Kreishandwerksmeister Ernst Berger, der Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz sowie Johannes Kretschmann, Bundestagskandidat der Grünen im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen.

850 Betriebe im Kreis

Das Handwerk ist im Zollernalbkreis stark: Mit 850 Mitgliedsbetrieben und rund 5000 Mitarbeitern ist es sogar der größte Arbeitgeber im Kreis. Danyal Bayaz verwies auf das Grundsatzprogramm der Grünen, in dem das Handwerk als einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren und Arbeitgeber in Deutschland aufgeführt wird. Unterstützung gebe es für Betriebe, die von der akuten Pandemie betroffen seien: KfW-Kredite, Überbrückungshilfen, Kurzarbeitgeld. Aber einige Betriebe würden heute noch auf die Novemberhilfen warten. Und einige Branchen seien lange Zeit nicht berücksichtigt worden. Etwa die Brauereien. Da sei weiterhin gearbeitet worden, aber die wichtigsten Kunden, die Gaststätten, seien geschlossen gewesen: "Das wurde lange nicht berücksichtigt", sagte der Bundestagsabgeordnete.

Senkung der Mehrwertsteuer? Den kleinen Betrieben habe das nichts gebracht. Anders der erweiterte Verlustrücktrag: "Ein Unternehmen kann dadurch kurzfristig zu Liquidität kommen." Bürokratie? Eindeutig ein Hindernis. Hilfreich wäre, wenn beispielsweise die Ämter digital funktionieren würden. Attraktivität des Meistertitels? Da gehe Baden-Württemberg mit gutem Beispiel voran: akademische Bildung und Handwerksausbildung kostenlos, "auf Augenhöhe". Digitalisierung? Ein "Megathema, das viele Branchen verändern wird."

Regionalität wichtig

Johannes Kretschmann ging noch einen Schritt weiter: Die Akademisierung werde priorisiert, sagte er, dagegen bekomme man beispielsweise bei der Ausbildung zum Landwirt kaum noch Klassen zusammen. Ein Landwirt müsse heutzutage mit der Digitalisierung mithalten, komplexe Maschinen bedienen und sich um die PR kümmern. Warum also keine Akademisierung von Handwerksberufen? Warum kein Studium zum Landwirt? Ein Bachelor zum Beispiel.

Jürgen Greß verwies auf Schwierigkeiten in der derzeitigen Situation: Die Vorfälligkeiten bei der Steuer machten vielen zu schaffen, die Schließung von lokalen Schlachthäusern – etwa dem in Balingen – führe zu unzumutbaren Situationen. Regionale Lösungen seien erforderlich. "Warten wir mal die Wahl ab", sagte Greß: "Wenn ich Fleisch kaufe, dann will ich das von der Metzgerei vor Ort." Der Meisterbrief? Der sei nach wie vor ein Qualitätsmerkmal in Deutschland.

Erwin Feucht betonte, das Tierwohl stehe für ihn an vorderster Stelle. Er verwies auf die Mobile Schlachtbox von Hermann Maier in Ostdorf und auf mehrere kleine Schlachtbetriebe im Kreis. Aber: "Das muss jemand in die Hand nehmen, da ist Bereitschaft vorhanden, und ich denke, da ist der Landrat in der Pflicht."

Digitalisierung ein Thema

Ernst Berger sieht das anders: Nicht auf Landkreis-, sondern auf Landesebene gelte es eine Lösung zu finden, sagte er. Das Tierwohl sei oberste Pflicht, Tiertransporte über weite Wege "können nicht die Lösung sein". Digitalisierung? Die sei bei ihm als Bauunternehmer längst Fakt: Zeiterfassung über Smartphone, digitale Vernetzung großer Arbeitsgeräte: "Aber irgendwie braucht man immer noch den Handwerker." Unklar sei, wer im Zollernalbkreis Fördermittel für Digitalisierung bekomme.

Bergers Vorschlag, um mehr Auszubildende zu gewinnen: "Praktika sollten schon in der achten Klasse Pflicht sein." Und: "Die Schüler sollten von den Lehrern mehr aufs Handwerk hingewiesen werden." Die Zukunft? Da müsse man verstärkt in Richtung Kreislaufwirtschaft und Wiederverwertung gehen. Recycling helfe effektiv, Ressourcen zu sparen, "da steckt noch viel Potenzial drin." "Mit entsprechendem politischen Rahmen erledigt das der Markt."

Fachkräftemangel? "Die Zuwanderung", meint Jürgen Greß, "gehört mit dazu. Im Handwerk interessiert es keinen, woher die Leute kommen. Das Handwerk nimmt alle auf." "Das Handwerk", resümierte Erwin Feucht, "ist die Integrationsbranche schlechthin."