Lydia Meinhold (†) Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Nachruf: Die bekannte Unternehmerin und Geschäftsfrau stirbt wenige Wochen nach ihrem 98. Geburtstag im Haus am Stettberg

Balingen-Frommern. Die Urfrommernerin Lydia Meinhold, geborene Stotz, ist am Freitag im 99. Lebensjahr gestorben.

"Mit dem Rollator komme ich überall hin. Ich fühle mich noch fit, habe keine Wehwehchen und wünsche mir, dass mir der Herrgott noch viele schöne Tage schenken wird", sagte sie noch an ihrem 98. Geburtstag, den sie vor wenigen Wochen mit ihrem Sohn Günther und ihrem Bruder Erwin Stotz im Haus am Stettberg feierte. Dort hat sie die vergangenen fünf Jahre gelebt.

Als erstes von zwei Kindern des Müllermeisters Konrad Stotz und seiner Frau Christine erblickte sie am 28. November 1920 in Frommern das Licht der Welt. Ihre Vorfahren betrieben dort jahrhundertelang die Obere Mühle samt einem Sägewerk.

Ihr Großvater hatte 1907 das Frommerner Elektrizitätswerk gegründet. Deshalb war es für die Enkelin selbstverständlich, dass sie nach dem Besuch der Handelsschule in Ebingen im elterlichen Betrieb mitarbeitete. Von der Buchhaltung bis zum Ablesen von etwa 1000 Stromzählern reichten seit 1938 ihre Aufgaben.

Im April 1939 bestand sie als eine der ersten Frauen im Raum Balingen die Führerscheinprüfung und erhielt von ihrem Vater sogleich ein Auto geschenkt, einen Mercedes 170 V. 1940 wurde sie für sechs Monate zum Reichsarbeitsdienst nach Meßkirch und anschließend zur Arbeit in einem Rüstungsbetrieb verpflichtet, dann aber rasch "unabkömmlich" gestellt: Sie musste zusammen mit ihrem betagten Vater ein knappes Jahrzehnt lang das Elektrizitätswerk während der Kriegs- und Besatzungszeit führen, bis ihr Bruder aus französischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war und den Beruf des Elektromeisters ergriff.

Seit 1958 führte sie zusammen mit ihrem Ehemann Walter ein Elektro-, Radio- und Fernsehgeschäft an der Frommerner Ortsdurchfahrt. Dessen Verkaufsfläche musste bereits nach einem Jahrzehnt verdoppelt werden. Es entwickelte sich zu einem der führenden Elektrogeschäfte im weiteren Umkreis.

Zu diesem Erfolg dürften nicht zuletzt Lydia Meinholds charmante Art, auf Menschen zuzugehen, ihre fachliche Kompetenz und ihr besonderes Interesse für elektrotechnische Neuerungen beigetragen haben. Ihren Ehemann, einen Elektroinstallateur, hatte sie übrigens am eigenen Küchentisch im E-Werk kennengelernt, als sie seit dem Frühjahr 1951 jeden Samstag das Mittagessen für ein Dutzend Elektro-Monteure kochte, die das Freileitungsnetz im Ort erneuerten.

Die Hochzeitsglocken mussten 1953 allerdings drei Mal geläutet werden, bis das Brautpaar endlich mit halbstündiger Verspätung völlig außer Atem die Kirche betrat, wo die Hochzeitsgäste besorgt gewartet hatten. Denn der Bräutigam musste zuvor noch mit seinem Schwager dringende Arbeiten am Frommerner Stromnetz erledigen.

Dass dies kein böses Omen darstellte, dokumentierte die Diamantene Hochzeit, die das Paar im Januar 2013 feierte. Erst mit 71 Jahren entschloss sich Lydia Meinhold, in den Ruhestand zu treten, blieb aber Teilhaberin der nach ihrem Großvater benannten Firma Konrad Stotz GmbH.

Zu den Freizeitbeschäftigungen zählten bis zu ihrem 92. Lebensjahr die Gartenarbeit rund um das 1957 errichtete Wohnhaus sowie das Sticken von Gobelins und unzählige Flugreisen nach Berlin, Leipzig, Hamburg und München, wo ihr Sohn Günther als Verwaltungsjurist Prozesse für seine Behörde führte. Mit ihrem Sohn teilte sie auch das Interesse an der Balinger Kommunalpolitik, weshalb ihr auch bis zuletzt die tägliche Zeitungslektüre – übrigens ohne Brille – wichtig war.