Zeitung veröffentlicht im Jahr 1861 internationale Nachrichten, Neues von nebenan und Grüße aus Übersee

Von Verena Schickle Balingen. Eigentlich haben Tageszeitungen immer die Zukunft im Blick. Genauer: die morgige Ausgabe. Das 150-jährige Bestehen des Balinger Handels- und Gewerbevereins (HGV) allerdings ist Anlass genug, einmal zurückzublättern.Die alles entscheidende Frage lautet: "Was gibt’s Neues?" Sie verführt Leser jeden Morgen dazu, ihre Tageszeitung aufzuschlagen, und sie führt die Zeitungsmacher dazu, ihre Redaktion zu verlassen – immer auf der Suche nach aktuellen Geschichten. An der Frage hat sich seit 1861, dem Gründungsjahr des HGV, nichts geändert. Nur an der Schreibweise: "Was giebt’s Neues?" war die Titelseite des Schwarzwälder Boten damals überschrieben.

Beispiel gefällig? Unter dem Titel "Württembergische Chronik" war in der Ausgabe vom 17. März 1861 zu lesen: "Aus dem Oberamt Freudenstadt den 13. März. Die im Mai stattfindende Industrieausstellung in Rottweil findet von Seiten der zahlreichen Industrie unseres Bezirks eine sehr lebendige Theilnahme." Ein klarer Fall für "Wirtschaft in der Region" – damals wie heute.

Daneben fanden natürlich auch die Tragödien des Alltags ihren Platz. Etwa in einer Meldung aus dem Bezirk Crailsheim: "In Bechhof schnitt sich ein Mann, der an Wassersucht darniederlag und wegen Armuth an seiner Zukunft verzweifelte, den Hals ab."

Ähnlich deutlich fielen früher die Stellenanzeigen aus. Etwa die eines Balinger "Kupferschmidmeisters", der einen Auszubildenden – möglichst ohne Ansprüche – suchte: "Offene Lehrstelle. Ein solider junger Mensch findet alsbald eine Lehrstelle und könnte mit oder ohne Lehrgeld aufgenommen werden. Das Nähere bei J. Werner."

Überhaupt nahmen Meldungen aus dem Lokalen seit jeher viel Raum ein. Veröffentlicht wurden Gesuche aller Art, Sonderangebote – "Balingen. Empfehlung. Alle Arten Gartensaamen, Esparsette- und Grassaamen empfiehlt zu geneigter Abnahme J. Blickle" –, Todesanzeigen oder sonstige Mitteilungen. Was Menschen bewegte, war und ist ein Thema. Auch in Balingens Nachbarschaft: "Rosenfeld, Oberamts Sulz. Gefundenes Geld. Am lezten Oberndorfer Jahrmarkt, den 12. d. M., wurden auf der Straße zwischen Boll und Bochingen 22 fl. (Gulden), welche der rechtmäßige Eigenthümer innerhalb 15 Tagen bei unterzeichneter Stelle abholen kann.", heißt es so in einer historischen Ausgabe. Trotz aller Nähe zu den Geschehnissen vor Ort, verstand sich der Blick über den Tellerrand für unsere Zeitung schon vor 150 Jahren. Neues "Aus aller Welt" findet sich nicht nur heute im Blatt. "Rußland und Polen. Keine Leibeigenschaft mehr. Die lezte Sizung des Reichsrathes wegen der Bauernfrage hat am 25. Februar stattgefunden. Der Kaiser hat darin eine lange Rede gehalten und mit ziemlich starker Stimmenmehrheit ist schließlich Folgendes festgestellt worden: Die Leibeigenen erhalten ihre persönliche Freiheit", erfuhren die Leser so.

An anderer Stelle erhielten sie ein Lebenszeichen aus Übersee: "Troy, im Staate New York. Ich lebe immer noch und bin hier in Troy", schreibt "Prof. G. Miettinger, Stadtpfarrer" in die Heimat.

Rechtschreibung, Formulierungen und Layout mögen sich geändert haben. Der Blick zurück allerdings zeigt, dass das Entscheidende geblieben ist: Die Zeitung lebt von Geschichten. 1861 wie 2011.

u Historische Zeitungsseiten von 1861 sind ab Montag zur Aktionswoche des Balinger HGV im Schaufenster des Schwarzwälder Boten, Herrenmühlenstraße 4, zu sehen.