Wenn Heinz Schühle auf dem Hof steht, sind Sau und Hasen nicht weit. "Die Tiere sind mein Leben", sagt er. Foto: Ungureanu

Im Wannental hadert Heinz Schühle mit der Politik: Sau Wuse muss weg und neue Vorgaben für Trinkwasser.

Balingen-Stockenhausen - Dutzende Hasen laufen über den verschneiten Weg, die Sau Wuse watschelt schwerfällig hinterher, und Heinz Schühle, der "Herr über das Wannental", ist sauer. Nicht erst, seit er am 17. November vom Veterinäramt des Zollernalbkreises erfahren hat, dass er seine Hängebauch-Sau gefälligst hinter einem doppelten Zaun einsperren muss und dazu noch ein zweites Schwein anschaffen soll. Wegen der artgerechten Haltung. "Artgerecht?", echauffiert sich der 69-Jährige, der aussieht wie Mitte 50, "was heißt artgerecht?" Die Wuse werde er weggeben, "die kommt hinter keinen Zaun". "Der Weg ist eingeschlagen." Zusätzliche Schweine? "Ich will mir nicht noch mehr Arbeit aufdrängen lassen, bloß weil die Herrschaften es so wollen", sagt er.

Er würde es ja verstehen, wenn die Tiere am Verhungern wären oder schlecht gehalten. Gerne zeigt Heinz Schühle den Eselstall, der immer offen steht, und in dem Sau Wuse ihren Schlafplatz hat – zusammen mit etlichen Hasen, die sich im Winter an dem riesigen Wabbelbauch wärmen. Die Tiere gehen ein und aus, schon sein Vater und Großvater haben das so gehalten. "Es ist Natur pur, aber jetzt haben wir ja die EU", sinniert der Landwirt. Und dorthin, nach Brüssel, würden nun mal jene Politiker abgeschoben, die man hierzulande nicht mehr brauche. "Dort können sie dann schalten und walten, auch ohne eine Ahnung zu haben", meint er.

Schafe und Ziegen mussten auch schon weg

Er steht in der Einfahrt und ist sofort von seinen Hasen umringt, als er ein paar Kekse aus der Tasche holt. "Die Tiere sind mein Leben", sagt er. Fernsehen und Radio brauche er nicht, Computer noch weniger. Die Sau, die habe irgend jemand vor sechs Jahren auf seinem Hof ausgesetzt, damals sei sie noch klein gewesen. Seither pflege er sie, füttere sie, inzwischen gehöre sie längst zum Inventar. Wenn sie im Stall liege, schnarche sie wie ein Mensch. Schon oft sei er von Besuchern gefragt worden, wer denn da schlafe.

"Im Sommer kommen Schulen her, Kindergärten, die KBF", sagt er, "sogar aus Tübingen oder Pforzheim, denn der Streichelzoo ist bekannt." Der sei vor ein paar Jahren noch größer gewesen, er habe noch zwei, drei Schafe und ein paar Ziegen gehabt. Bis die EU-Vorschrift kam, dass Ohrenmarken verpflichtend seien. Er besorgte sich die Ohrenmarken, hatte aber keine Zange, um sie anzubringen. "Ich kauf doch keine teure Zange wegen sechs Ohrenmarken, ich wollte einen Bekannten bitten, die Marken für mich anzubringen." Der Frau vom Veterinäramt habe er die Marken gezeigt, sie sei auch ganz freundlich gewesen, "und nach zehn Tagen musste ich ein Bußgeld von 86 Euro zahlen". Kurz: Schafe und Ziegen kamen weg. Ein einsames Lama ist noch übrig, das andere ist tot.

"In Balingen ist eben alles anders"

Auch die Sau brauchte laut EU-Vorschrift zwei Ohrenmarken. "Aber man kann nicht zwei oder vier bestellen, die Mindestzahl ist 40." So habe er jetzt 38 Marken übrig, die er gerne dem einen oder anderen "Studierten vom Amt reindrücken würde, wenn er noch ein Ohr frei hätte".

Aber die Sache mit der Sau sei nicht das einzige Ärgernis, sagt Heinz Schühle und kneift die blauen Augen wütend zusammen. Etwas weiter oben hat er einen Feuerlöschteich "mit acht, höchstens zehn Fischen". Er habe zwei riesige Fragebögen bekommen zum Ausfüllen: wie groß, wie viel Wasser, wie viele Fische. "Als wäre ich der größte Fischzüchter in Deutschland", sagt er sarkastisch. Und erzählt von den neuen EU-Vorgaben für das Trinkwasser, das im Wannental seit einigen hundert Jahren aus der eigenen Quelle sprudelt. Er habe gute Miene zum bösen Spiel gemacht und eine Filteranlage einbauen lassen. Die muss jetzt einmal im Jahr kontrolliert werden, was einige hundert Euro kostet. Alles in allem ein Griff ins Klo: Ein Herr vom Amt habe sie in Augenschein genommen und gesagt, sie sei nicht richtig eingebaut: Die Filter gehörten hintereinander, nicht nebeneinander. "Ich habe gesagt, das bleibt so wie es ist, so lange ich lebe." Die Papiere für die Anlage, die der Kontrolleur mitnahm, habe er seither nicht mehr gesehen. Dass die Stadt Balingen weiter oben einen Weg bauen ließ und das Regenwasser jetzt in seine Quelle leite, wurmt ihn: "Jetzt soll ich auch noch städtisches Schmutzwasser filtern."

Noch mehr wurmt ihn, dass er seit 2010 sein Abwasser von der Stadt holen lassen muss. Für einen Kubikmeter zahlt er 14, 60 Euro, "das Auto kommt von Bad Saulgau". In Albstadt könnten die Bauern ihr Abwasser noch selbst zur Kläranlage bringen. In Balingen sei eben "alles anders". Seinen Schmerz will er jetzt er dem Landrat und dem OB schreiben. Er könne alles belegen, "aber die Wahrheit zählt leider nicht, die vom Amt behalten immer Recht". Er will ihnen auch schreiben, dass sie die Schulen, Kindergärten und KBF-Kinder doch bitte informieren möchten, dass sie nicht mehr ins Wannental kommen sollen, sondern "am besten in eine Massentierhaltung nach EU-Vorschrift".

Kommentar: Was man braucht

Was braucht man wirklich? Das ist die Frage, die sich Bauer Heinz Schühle immer wieder stellt. Der 69-Jährige ist ein Philosoph. Seine Ideen entstammen nicht dem Fernsehen oder dem Radio, schon gar nicht dem Internet. Denn all das hat er noch nie gehabt, weil er es nicht braucht. Was er braucht, sind die vielen Hasen und das schwerfällige Hängebauchschwein, die Esel und das Lama, die auf dem alten Hof im Wannental schon seit jeher frei herumlaufen. Was er noch braucht, ist das frische Wasser aus der eigenen Quelle, aus der schon sein Vater und sein Großvater getrunken haben.

Dass es plötzlich jemanden stört, dass das Schwein frei herumläuft und das Quellwasser nicht durch einen chemischen Filter läuft, kapiert niemand. Das ist Politik. Braucht man eine solche Politik? Nein. Braucht man solche Bauern? Ja. Darüber sollte man sich Gedanken machen.