Machen sich für Integration stark: Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Landrat Günther-Martin Pauli. Foto: Ungureanu

Landtagspräsidentin Muhterem Aras wirbt bei Auftaktveranstaltung in Balingen für Offenheit und Vielfalt.

Balingen - Wie gelingt Integration? Das Integrationsforum Zollernalb ist ein Schritt in die richtige Richtung. Bei der Auftaktveranstaltung in den Räumen der Sparkasse Zollernalb mit im Boot: eine prominente Rednerin, die aus eigener Erfahrung berichten kann: Landtagspräsidentin Muhterem Aras.

Der Zollernalbkreis stehe für Weltoffenheit, sagte Landrat Günther-Martin Pauli und verwies auf Kirchen, Behörden, Wohlfahrtsverbände, Arbeitsagentur, das Landratsamt und zahlreiche Ehrenamtliche, die sich in Sachen Integration seit Jahren engagieren. 2013 habe es im Landkreis einen einzigen Arbeitskreis Asyl gegeben, heute seien es bereits neun. Sport- und Musikvereine hätten sich als optimale Orte der Integration erwiesen. Viele Netzwerke seien gewachsen, im Mittelpunkt stehe die gesellschaftliche Teilhabe.

Die Landtagspräsidentin warb dafür, voneinander zu lernen und miteinander zu arbeiten, Schnittstellen zu finden und Reibungspunkte auszuräumen: "Was zählt, ist die Gemeinschaft und der Zusammenhalt." Die Integration der vielen neu Zugewanderten verglich sie mit einem Langstreckenlauf: Dabei gelte es zunächst, festzulegen, "wo unser Ziel liegt." Sprache und Beruf seien wichtige Voraussetzungen. Aber genau so wichtig sei es, "angenommen zu werden".

"Heimat ist dort, wo man sich zugehörig fühlt"

Muhterem Aras erzählte, wie sie 1978 im Alter von zwölf Jahren mit ihren Eltern und Geschwistern aus einem kleinen anatolischen Dorf nach Filderstadt gekommen war. Der Vater war als Gastarbeiter angeworben worden, die Mutter und die Kinder freundeten sich mit einer Familie aus Filderstadt an, die Mutter half in der Landwirtschaft mit, die Kinder spielten zusammen: "Bauern haben sehr viel gemeinsam, egal, woher sie kommen. Wir wurden so angenommen, wie wir waren, sind Teil der Familie geworden." Ein Glücksfall, denn Deutschland sei für die Familie mit türkisch-kurdischen Wurzeln "eine ganz andere Welt" gewesen. An den Sonntagen wurden gemeinsam Familienausflüge organisiert, man ging ins Restaurant oder in die Staatsgalerie, las Bücher, die man ja daheim nicht hatte. "So ist Deutschland und Baden-Württemberg für mich zur Heimat geworden." Und so wurde es möglich, dass Muhterem Aras die "erste türkischsprachige Steuerberaterin in Süddeutschland" wurde.

Aber sie sei kein Einzelbeispiel, es gebe ganz viele, bei denen Integration funktioniert habe. Wichtig sei es, eine Chance zu bekommen. "Das Land schafft die Rahmenbedingungen, auf kommunaler Ebene darf man die Begegnung nicht dem Zufall überlassen." Nur so entstehe eine Zugehörigkeit zur Wertegemeinschaft. Und Heimat sei nun mal dort, wo man sich zugehörig fühle.

Dabei dürfe man nicht vergessen: "Wer mit uns lebt und arbeitet, muss unsere Werte akzeptieren und respektieren." Geben und Nehmen bedeute nicht, irgend etwas abgeben zu müssen oder Abstriche bei Werten und Alltagsnormen zu machen, betonte Aras und verwies auf die Aussage von Ministerpräsident Winfried Kretschmann: "Heimat wird nicht weniger, wenn man sie teilt."

Respekt, Offenheit, Gleichberechtigung, Freiheit und streitbare Demokratie seien im Grundgesetz verankert, in dem "gemeinsamen Wertefundament", auf das sie stolz sei. Und sie hat die Erfahrung gemacht: "Je offener wir uns zeigen, desto eher entsteht das Gefühl von Zugehörigkeit und Heimat." Das Integrationsforum könne genutzt werden, um den Austausch zu ermöglichen und gleichzeitig auch die Wertediskussion mit einzubeziehen: "Chancen statt Ausgrenzung, Offenheit und Vielfalt leben – und darüber Heimat definieren. Das Beispiel aus dem Zollernalbkreis könnte Schule machen."

Thorsten Müller, der Leiter des Rechts- und Ordnungsamts im Landratsamt, erklärte die Idee, die hinter dem Integrationsforum steckt. Die Integration sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Ziel sei es, Hilfen und Förderung zu verbessern, indem man sich am konkreten Bedarf orientiere. Vernetzung und Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel machten es möglich, die Angebote an die Potenziale der Menschen anzupassen, an ihre Wünsche, Visionen, aber auch auf Hindernisse und Probleme zu reagieren. Hilfreich sei dabei der Realitätstest: "Wie sieht’s in der Praxis aus?" Anhand der Erfahrungen und durch den Austausch könne dann entschieden werden, wie die Situation verbessert werden kann, wer sich wie beteiligt, welche Projekte entwickelt werden sollten. "Dabei ist es wichtig, auch vernachlässigte, schwierige Gruppen mit ins Boot zu nehmen", sagte Müller und verwies auf die Themenfelder Sprache und Bildung, Arbeit und Beruf, Gesundheit, Wohnen und Freizeit. Und es sei auch wichtig, herauszufinden, wie man den Ämtern, Institutionen und Verbänden helfen kann, wo es auf deren Seite Probleme oder Schwierigkeiten gibt.

Ideen und Anregungen werden jetzt gesammelt und ausgewertet

Danach war Brainstorming angesagt: In kleinen Arbeitsgruppen konnten auf bunten Zetteln Erfahrungen, Ideen und Anregungen festgehalten werden zu den Fragen: Welche Probleme stelle ich bei der Integration fest? Was behindert in meiner Arbeit die Integrationsbemühungen? Wo und wie gelingt Integration? Welche Rolle spielt Partizipation bisher? Und am Ende konnte jeder Teilnehmer auf einer Liste eintragen, wie er mitmachen kann, wo und wie er helfen möchte.

Die Anregungen und Vorschläge sollen jetzt ausgewertet werden. Sie bilden die Grundlage für die weitere Arbeit des Integrationsforums. Ein zweites Treffen werde es voraussichtlich im Dezember geben, sagte Thorsten Müller.