Nur 30 Prozent der Gelder sind für ländlichen Raum. IHK schlägt Alarm: "Regierungsbezirk droht erneut, hinten runterzufallen".
Balingen/Reutlingen - Bald kein Straßenbau mehr im Regierungsbezirk Tübingen? Die Industrie- und Handelskammer Reutlingen schlägt in ihrer Stellungnahme zum neuen Bundesverkehrswegeplan Alarm: Nach den Plänen des Bundes sollen bei dessen Straßenbau künftig 70 Prozent der finanziellen Mittel in hochbelastete Räume sowie Autobahnen und autobahnähnliche Bundesstraßen fließen. Lediglich 30 Prozent stünden somit für normale Bundesstraßen zur Verfügung.
Im Hinblick auf den ländlichen Raum und die regionalen Bundesstraßen drohe der Regierungsbezirk Tübingen damit erneut "hinten runterzufallen", befürchtet die Kammer. Vor mehr als 30 Jahren sei der Region zugesagt worden, dass es als Ersatz für dringend benötigte Autobahnen gut ausgebaute Bundesstraßen geben werde. "Dieses Versprechen wurde nicht eingelöst", heißt es in einer Pressemitteilung der Kammer. Wenn die Pläne des Bundes zum Zug kommen, würde die Region zum zweiten Mal das Nachsehen haben.
Schon heute sei die Verkehrsinfrastruktur im Regierungsbezirk Tübingen aus Sicht der IHK völlig unzureichend und keinesfalls der wirtschaftlichen Leistungskraft angemessen. So sei die Autobahndichte nicht nur die geringste in Baden-Württemberg, sondern in ganz Deutschland.
Um diesen Nachteil auszugleichen, wäre nach Auffassung der Kammern eine überproportionale Mittelzuweisung für Bundesstraßen konsequent gewesen. Das Gegenteil sei jedoch der Fall: Von den im Bundesverkehrswegeplan 2003 vorgesehenen 41 Maßnahmen im Regierungsbezirk Tübingen seien nur 16 fertiggestellt worden, fünf befänden sich im Bau, bei vier weiteren könnte der Bau beginnen. Da wundere es wenig, dass die Zufriedenheit der Unternehmen mit der Straßenanbindung in einer jüngst durchgeführten Standortumfrage in vielen, gerade ländlichen Gebieten, äußerst bescheiden ausfalle.
"Wenn wir schon keine Autobahnen haben, müssen unsere Bundesstraßen die notwendige Erschließungsfunktion übernehmen", sagt Christian Erbe, Präsident der IHK Reutlingen. Bei der geplanten Verteilung der Mittel sei dies aber auch in Zukunft eine Illusion. Eine Verteilung von 50 zu 50 Prozent wäre daher eher angemessen. Zugleich betont Erbe aber, dass bei einer Priorisierung der Verkehrsprojekte, die allzu sehr auf die Verkehrsmengen abziele, zusätzlich die Gefahr bestehe, dass der ländliche Raum auf dem Abstellgleis lande.
Sein Ulmer Amtskollege, Peter Kulitz, fordert eine Lösung bei der Zuteilung von Mitteln, die den Besonderheiten des Regierungsbezirks gerecht werde: "Immerhin hat Minister Hermann bei der Regionalkonferenz in Tübingen zugestimmt, dass der Regierungsbezirk Tübingen einen großen Nachholbedarf hat. Er hat Erwartungen geweckt, die auch erfüllt werden sollten", so Kulitz.