Dicht behangen leuchten die Früchte am Baum. Foto: Schwarzwälder Bote

Nahrungsmittel: Frucht dürfte Ursprung in Ungarn oder in der Türkei haben / Obstsorte ist aber nicht lagerfähig

Balingen-Heselwangen. Eine süße Spezialität reift derzeit in Heselwangen: die "lange Zwetschge", wie sie die Einheimischen nennen. In den umliegenden Gemeinden ist diese besondere Variante dagegen als "Heselwanger Zwetschge" bekannt.

Im vergangenen Jahrhundert war sie dort als frühe Frucht begehrt und bekannt. Dabei war diese Zwetschgenart zu noch früherer Zeit sicher auch dort anzutreffen, der Heselwanger Untergrund (unterste Braunjurastufe, Opalinus-Ton) schien ihr jedoch am besten zu bekommen, weshalb sie sich dort bis heute erfolgreich hält – anderswo ist sie ausgestorben; in Baden-Württemberg gilt sie zwischenzeitlich als Rarität.

Von den Pomologen wird diese frühreifende Frucht mit der eigenartigen Form "rote Dattelzwetschge" genannt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat sie der Würzburger Hofgärtner Johann Prokop Meyer in seinem Standardwerk "Pomona Franconica" erstmals erfasst. Ihren Ursprung dürfte sie demnach in Ungarn oder der Türkei haben, von wo aus sie sich in ganz Mitteleuropa ausbreitete. Das hat sich im Laufe der Jahrhunderte geändert, denn in Deutschland ist sie in Baden-Württemberg lediglich in Heselwangen, im Raum Tübingen und im Rhein-Neckar-Gebiet zu finden.

Diese an sich für den Streuobstanbau geeignete Zwetschge wurde 2003 vom Landesverband für Obstbau Baden-Württemberg zur Streuobstsorte des Jahres gekürt, um auf den Rückgang dieser festfleischigen Sorte mit der eigenartigen Form aufmerksam zu machen.

Auch der Pomologenverein ist bemüht, der Vielfalt wegen diese Obstsorte zu erhalten, denn der Baum ist robust und verträgt hin und wieder einen Rückschnitt; mit einem schulmäßigen Rückschnitt ist ihm jedoch nicht beizukommen – er wächst, wie er will.

Die Dattelzwetschge reift Anfang bis Mitte August und ist nicht lagerfähig, weshalb sie für den gewerbsmäßigen Anbau nicht sonderlich geeignet ist. Sie erreicht jedoch einen Zuckergehalt von 60 bis 70 Grad Öchsle.

In der schwäbischen Küche wird sie zu Kuchen, Mus und für das "Arme-Leute-Essen" Zwetschgen-Dotsch verwendet, den man in Heselwangen mit einem schwäbischen Kartoffelsalat genießt.

Auch gibt es Versuche, die Frucht mittels Destillat zu veredeln. Ob es ein Produkt jedoch zur Bühnenreife gebracht hat, ist nicht bekannt. Die Vermehrung des Baumes erfolgt sortenrein durch wurzelechte Ausläufer, was neben der säbelartigen Fruchtform eine weitere Kuriosität ist.

Von Heselwangen hat ein Bäumchen vor einigen Jahren die Reise nach Sachsen-Anhalt angetreten, wie der Heselwanger Pomologe Eberhard Lohner zu berichten weiß. Ob daraus eine Erfolgsgeschichte wurde, ist bis jetzt jedoch nicht bekannt. Über Baumschulen ist dieses besondere Gewächs nicht zu beziehen.