Demnach sollen die Angeklagten in mehr als 200 Fällen Fäkalien und Fettabscheiderinhalte an verschiedenen Orten in die Kanalisation abgepumpt haben. Foto: Maier

Geschäftsführer und Mitarbeiter eines Balinger Unternehmens sind angeklagt. Entsorgung direkt in den Kanal.

Balingen/Hechingen - Zum Geschäftsfeld der Firma gehört die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen – doch genau bei dieser Kernaufgabe haben das Geschäftsführer-Ehepaar und drei Mitarbeiter laut umfangreichen Ermittlungen gegen Gesetze verstoßen. Nicht aus Versehen, nicht ein Mal, sondern in mehr als 200 Fällen. Der Komplex wird seit Mittwoch am Amtsgericht Hechingen verhandelt.

Auf der Anklagebank sitzen vier Männer und eine Frau. Sie müssen sich zunächst einiges anhören – wie das Gericht um Richter Wührl auch: Drei Anklageschriften verliest Staatsanwalt Gruhl, diese datieren aus den Jahren 2015, 2016 und 2017. Darin sind die Fälle aufgelistet, die die Ermittler für die Jahre 2013 bis 2017 ans Tageslicht befördert haben. Es geht um die illegale Entsorgung und die verbotene Lagerung von umweltgefährdenden Stoffen in großem Stil.

Demnach sollen die Angeklagten in mehr als 200 Fällen Fäkalien und Fettabscheiderinhalte an verschiedenen Orten – etwa in Randegg, Singen, Gottmadingen, nahe Donaueschingen und in Böhringen – einfach in die öffentliche Kanalisation abgepumpt haben. Laut Staatsanwaltschaft handelte es sich zumeist um Mengen bis etwa zehn Kubikmeter. Besonders dreist: Von zwei Firmen verlangte das Balinger Entsorgungsunternehmen gleichwohl Geld für die vermeintlich ordnungsgemäße Verbringung der Abfälle – strafbar als Betrug.

Insgesamt, so die Berechnung der Staatsanwaltschaft, habe das Entsorgungsunternehmen durch die illegale Fortschaffung von rund 314 Kubikmetern Fett und 1225 Kubikmeter Fäkalien Entsorgungsgebühren von etwa 25.000 Euro gespart.

Neben der verbotenen Entsorgung werfen die Ermittler dem Geschäftsführer-Ehepaar und den Mitarbeitern auch die illegale Lagerung umweltgefährdender Stoffe vor. So sollen sie in Bisingen im Gewerbegebiet Hinter Stöck einen Lagerplatz unterhalten haben, wo sie im Juni 2015 rund 18 Kubikmeter ölhaltige Abfälle über die Entwässerungsrinne in den dort vorhandenen, dafür jedoch laut Anklageschrift "nicht zugelassenen und nicht geeigneten" Ölabscheider verbrachten. Die Folge: Die ölhaltige Flüssigkeit gelangte in die Kanalisation und floss in die Bisinger Kläranlage sowie ins Regenüberlaufbecken "Im Kloster".

Im Gebiet Hinter Stöck hätte das Unternehmen eigentlich keine Abfälle lagern dürfen – zwischen April 2014 und Juni 2016, als die Kontrolleure anrückten, hatten die Mitarbeiter gleichwohl mehrere, wie sich herausstellte undichte Muldencontainer regelmäßig mit ölhaltigen Flüssigkeiten und Schlämmen befüllt. Die Stoffe gelangten aus den undichten Behältnissen über die Hofentwässerung direkt in den Abwasserkanal.

Ähnlich soll es sich auch in Singen zugetragen haben: Laut Anklage mindestens seit 2011 unterhielt das Entsorgunsunternehmen dort einen weiteren Lagerplatz – der von Wasserschutzgebieten umgeben ist. Eine Genehmigung, dort Abfälle zu lagern, bestand nicht; das Landratsamt Konstanz hatte mit Bescheid vom Dezember 2014 die weitere Lagerung von Kanalspülgut sogar ausdrücklich untersagt. "Das erfordliche In- und Output-Register", heißt es in der Anklageschrift, "führten die Angeschuldigten für den Betriebsstandort bewusst nicht" – und lagerten auf dem Gelände weiterhin bis April 2017, ehe die Ermittler anrückten, Abfälle in nicht wasserdichten und offenen Containermulden.

Der auf fünf Verhandlungstage angesetzte Prozess wird sich aller Voraussicht nach erheblich verkürzen: Zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und den Rechtsanwälten der Angeklagten hat am Mittwoch ein sogenanntes Verständigungsgespräch stattgefunden. Die Parteien steckten dabei ihre Vorstellungen ab, was – auch angesichts der schon langen Verfahrensdauer – als Strafe für die Beteiligten angemessen wäre. Richter Wührl will sich dazu nun ebenfalls Gedanken machen. Weiter geht der Prozess am Mittwoch, 6. Juni. Möglicherweise fällt an diesem Tag das Urteil.