Präsident Harald Herrmann (links) mit Hauptgeschäftsführer Joachim Eisert im Vorfeld der Vollversammlung. Foto: HWK Foto: Schwarzwälder Bote

Wirtschaft: Reutlinger Kammer will Ausbildungsplätze besetzen, Fachkräfte sichern und dem Personalmangel entgegen wirken

Zollernalbkreis. Fachkräftesicherung, konjunktureller Aufschwung, Fachkräftemangel und unbesetzte Ausbildungsplätze: Das sind unlängst die zentralen Themen in der Sommervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen gewesen.

Laut jüngster Konjunkturumfrage setzt sich der Aufschwung im Handwerk fort. Mit dafür verantwortlich hält Kammerpräsident Harald Herrmann auch das Vertrauen zwischen Kunden und Handwerkbetrieben: "Die Auftragsbücher sind immer noch voll, die positive Grundstimmung wird von nahezu allen Gewerben und Gewerken geteilt", so Hermann. 75 Prozent der befragten Betriebe würden die Geschäftslage im vergangenen Quartal als gut bewerteten; das seien sieben Prozentpunkte mehr als im letzten Jahr und so viele wie noch nie zuvor in einem Frühjahr. Das etwas abgeschwächte Wachstum der Gesamtwirtschaft spüre das Handwerk noch nicht.

Der Ausblick auf das Sommerquartal fällt zuversichtlich aus – allerdings läge es nahe zu vermuten, dass die zunehmende Nachfrage auch die Umsätze der Handwerker ansteigen ließe. Doch selbst bei gut ausgelasteten Branchen, wie dem Ausbauhandwerk, haben sich die Umsätze schwächer entwickelt: Während sich der Auftrag von Privatkunden für einen Maler und Schreiner in der Regel rechnet, ist es für die Betriebe bei größeren Objekten mitunter schwierig, auskömmliche Preise zu erzielen. Nach wie vor fehle es an Fachkräften: "Viele Unternehmen suchen händeringend Fachpersonal, doch es fehlen qualifizierte Bewerber. Das geht so weit, dass die Firmen über Leihfirmen aus verschiedenen Ländern Osteuropas Personal anwerben", erklärt Hermann. Seiner Meinung nach habe sich der Fachkräftemangel längst zu einem Wachstumshemmnis entwickelt. Die Fachkräftesicherung müsse sich als ein weiteres strategisches und unverzichtbares Handlungsfeld des Handwerks herauskristallisieren.

Weiter ging Herrmann auf die Einführung der Meisterprämie in Höhe von mindestens 1500 Euro ein, wie sie Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold fordert und in Bayern bereits existiert: "Wenn es die Landesregierung ernst meint mit der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung, dann muss die Prämie schnellstmöglich kommen. Nur so kann der Meister mit dem kostenfreien Hochschulstudium konkurrieren", meint Hermann.

Hauptgeschäftsführer Joachim Eisert griff das Problem der derzeitigen Ausbildungssituation im Kammerbezirk auf. Zahlreiche Ausbildungsstellen blieben unbesetzt. Aktuell seien noch rund 600 Lehrstellen frei: "Das ist zum einen der demografischen Entwicklung geschuldet, zum anderen dem Trend zum höheren Schulabschluss mit anschließendem Studium", so Eisert. Trotz sicherer Jobs und guter Karriereperspektiven gerate die duale Ausbildung immer mehr ins Hintertreffen. Eisert weiter: "In vielen Fällen ist die Möglichkeit, die eine Berufsausbildung im Handwerk bietet, nach wie vor bei jungen Menschen nicht bekannt. Wir müssen weiterhin daran arbeiten, dass sich das ändert. Handwerk ist cool, nicht dröge oder altbacken, wie es einige meinen", findet Eisert. Die Kammer werde fortfahren müssen, Jugendliche für handwerkliche Berufe zu begeistern.

Nach wie vor sei es aber auch von großer Bedeutung, Flüchtlinge in ein Ausbildungsverhältnis zu bringen – vor allem vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. "Derzeit absolvieren bei uns 214 Menschen mit Fluchtgeschichte eine Ausbildung. Das sind immerhin 5,4 Prozent der Neuabschlüsse bei Ausbildungen. Ich finde, das ist ein im Kammervergleich guter und wichtiger Wert", so Eisert.