Justizbeamte bringen den Angeklagten durch den Hintereingang des Amtsgerichts. Foto: Ungureanu

61-Jähriger hat Beamte durch Drohungen davon abgehalten, sein Haus zu betreten. Unzählige Strafbefehle.

Balingen/Haigerloch - Der Bundesrepublik ist er "nicht ganz wohlgesonnen". Justiz-, Polizei- und Finanzbehörden will er nicht anerkennen. Jetzt ist ein 61-Jähriger aus Haigerloch vom Balinger Amtsgericht zu 360 Tagessätzen à 25 Euro verurteilt worden – wegen Nötigung.

Der Angeklagte, der dem Vernehmen nach der Reichsbürger-Szene nahe steht, grinst, als die Justizbeamten ihn mit Fußfesseln in den Gerichtssaal bringen. Derzeit sitzt er wegen Steuerhinterziehung in der Justizvollzugsanstalt in Ravensburg ein. Dass er hier in Fußfesseln von vier Justizbeamten vorgeführt worden sei, findet er "schon recht seltsam".

Bereitwillig und wortreich beantwortet der gelernte Elektroniker die Fragen der Richterin. Geboren sei er 1958 in Böblingen, sagt er. Ob er verheiratet sei, wisse er "im Moment" nicht: Er lebe seit Jahren getrennt von seiner Frau, habe sich längere Zeit im Ausland aufgehalten, hatte danach Burnout, jetzt sei TCP diagnostiziert worden, eine Schädigung der Atemwege. Vor ihm auf dem Tisch steht ein kleiner Inhalator. Deutscher Staatsbürger sei er nicht. Aber ein "Mensch" sei er. Das habe er sich bescheinigen lassen, das könne auch online nachgeprüft werden. Auch an die Regierung, an den Herrn Steinmeier, habe er geschrieben.

Deutscher Staatsbürger sei er nicht

Unzählige Strafbefehle liegen gegen diesen "Menschen" vor – wegen Steuerhinterziehung und Nötigung. Wegen Steuerhinterziehung, weil er als selbstständiger Subunternehmer jahrelang keinen Cent ans Finanzamt abgeführt, geschweige denn eine Steuererklärung eingereicht hat. Im Durschnitt sind es Forderungen zwischen 20.000 und 25.000 Euro. Hinzu kommen Mobilfunk-Schulden und nicht bezahlte Stromrechnungen bis zu dem Punkt, an dem die EnBW seinen Stromzähler ausbauen ließ. Mittlerweile sind Haus und Autos zwangsversteigert worden, die Schulden beglichen.

Jetzt ging es um Nötigung: Gerichtsvollzieher und Polizei hatte der 61-Jährige durch Drohungen davon abgehalten hat, sein Haus zu betreten. Wie das? Am Hauseingang hatte er ein Schild angebracht, das vor dem Betreten warnte. Das Haus sei elektronisch gesichert, war dort zu lesen. Es bestehe Lebensgefahr. Akustische Warnsignale gebe es nicht. Und: Jeder Versuch, in sein Reich einzudringen, werde von Überwachungskameras aufgezeichnet und auf "weltweiten Servern" gespeichert. Der gleiche Hinweis prangte an der Terrassentüre.

Drohungen? Lebensgefahr? Alles Mummpitz, sagt er. Bei ihm sei ein paarmal eingebrochen worden, und er habe seine Türe mit einer elektronischen Schließanlage gesichert, "ähnlich wie bei Banken, man kommt nur mit Chip hinein". Und auf der Terrasse sei der Hinweis nur gehangen, weil Kältemittel ausgelaufen sei und man sich beim Betreten statisch aufladen konnte. Setze man den Fuß dann auf die Erde, gebe es einen Stromschlag. Er habe nichts Verbotenes getan, schließlich sei es sein Eigentum. Und der Eingang sei 35 Meter von der Straße entfernt. Der Ortspolizist sei "voreingenommen gegen meine Person". Und der Gerichtsvollzieher habe nie den Nachweis gebracht, "dass er vollstrecken darf". Er habe nur einen Dienstausweis vorzeigen können, jedoch keinen Amtsausweis.

Den 61-Jährigen habe er wiederholt aufgefordert, eine Vermögensauskunft abzugeben, sagt der 58-jährige Gerichtsvollzieher im Zeugenstand: "Ich wusste nicht, dass bei ihm nichts mehr zu holen war." Von der Polizei und vom SEK habe es keine Unterstützung gegeben: "Auch denen war die Sache zu heiß." Letzteres bestätigt der Polizeibeamte, der mittlerweile im Ruhestand ist: "Mir war es zu gefährlich, dorthin zu gehen", sagte er. Schließlich sei der Hauseigentümer "vom Fach".

Gegen das Urteil wolle er vorgehen, sagt der Angeklagte. Und bittet darum, ihm künftig einen Pflichtverteidiger zur Seite zu stellen.

Ob er bezahlen kann, wenn das Urteil rechtskräftig wird, ist fraglich. Denn Vermögen gibt es nicht mehr, und einem Nackten kann man nicht in die Tasche greifen.