Markus Müller steht vor der Frommerner Schwelhalle, an deren Wänden gestaltet er derzeit ein großes Graffiti. Seine ersten Werke schuf Müller alias WON ABC in den 1990ern – damals noch illegal, auf Münchner Zugwaggons. Foto: Stiegler Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Der Graffiti-Kreative Markus Müller verziert derzeit die Frommerner Schwelhalle – mit fast 1000 Farbdosen

"Den Drache male ich nur zu besonderen Anlässen", erklärte am Donnerstag Graffiti-Künstler Markus Müller alias WON ABC beim Publikumsgespräch mit Kurator Roman Passarge in den Ausstellungsräumen der Frommerner Schwelhalle.

Balingen-Frommern. Der Drache – grün, gefährlich grinsend und eine Spraydose in den Klauen haltend – soll bald zwei Außenwände der Schwelhalle zieren. Es ist eines seiner Grundmotive, die Müller seit den 1990er-Jahren immer wieder aufgreift. Damals sprayte er in München illegal auf Züge und suchte nach einem Motiv, das man gut in die Länge ziehen könne. Inspiriert durch Tattoomotive jenes Jahrzehnts, ließ Müller fortan diese Fabelwesen sich auf den metallenen Außenwänden der Waggons entlang schlängeln. "Stahltätowieren" nannte seine Sprayer-Gang das damals. Oder sie sprühten eben auf Häuserwände. "Ein Künstler will gesehen werden. Daher sind Wände ideal", so Müller.

Ein Geschenk an Balingen

"Der grüne Drache ist in der chinesischen Mythologie ein Symbol für den Frühling, den aufkeimenden Samen, den Anfang", so der Künstler. Das habe gut zu dieser Aktion in Balingen gepasst, die in der Gegend ihresgleichen sucht. "Es ist ein Geschenk an Balingen und die Region. So ein Kunstwerk gibt es hier in der Umgebung nicht", meint auch Kurator Roman Passarge, der die Streetart-Ausstellung "Revolte!" in der Schwelhalle, die auch Werke von Müller zeigt, organisiert.

Ohnehin habe sich der Blick der Bevölkerung auf Streetart gewandelt, so der Kurator. Graffiti sei in Städten inzwischen etabliert. "Gerade die Mischung aus legalen und illegalen Wänden im Stadtbild ist faszinierend." Im urbanen Raum ist Graffiti überall auf der Welt zu finden. In Athen beispielsweise gebe es kaum noch einen weißen Flecken, während die Kunstform in Paris hauptsächlich in den Banlieues, den großen Vorstädten, lebendig sei.

"Vieles ist Zufall"

Auch Müller ist überall auf der Welt aktiv – München, England, Italien, Indonesien, China – und besprüht teilweise riesige Fassaden. Natürlich legal, denn so ein großes Wandgemälde benötigt viel Zeit. Innerhalb einer Woche soll der Drache auf der Frommerner Fassade entstehen. Fast 1000 Farbdosen werden zum Einsatz kommen – allein 180 Dosen Laubgrün. Bisher hat Müller die Außenwand aufwendig zweifarbig grundiert und ein Raster aufgeklebt, um die Vorlage seiner Skizze auf den größeren Maßstab zu übertragen. Eins zu eins wird er sein Motiv jedoch sicher nicht umsetzen. "Ich habe zwar ein Bild im Kopf, aber das verändert sich im Verlauf des Malens. Vieles ist Zufall", erklärt er. Beim Grundieren sei ihm ein Farbeimer umgefallen. Dieses scheinbare Missgeschick beziehe er nun in sein Werk ein. Denn: "Beim Malen gibt’s keine Fehler." Kurator Passarge fordert Interessierte auf, nächste Woche in Frommern vorbeizukommen und Müller beim Sprayen zuzuschauen. Im Schnitt male er zwölf Stunden pro Tag. "Das hat auch einen sehr physischen Aspekt, der oft unterschätzt wird", so Passarge. Eindrücklich schildert er, wie er Müller zum ersten Mal beim Sprayen zusah, mitten im Winter, in München. Eingemummt, mit Atemmaske und schweißüberströmt sei Müller stundenlang an der Fassade entlang gewirbelt: "Das ist wie ein Ballett."