Wollen ihr Leben und ihren Körper zurück: Julia Speiser (links) und Svetlana Milicevic hoffen auf ein Einsehen der Krankenkassen. Eine Operation kann das Lymphödem dauerhaft heilen, die unerträglichen Schmerzen lindern. Foto: Thiercy

Zwei Lymphödem-Betroffene hoffen auf Hilfe der Krankenkassen. Aber die bleibt vorerst aus.

Balingen - Sie sind jung und lebenslustig. Und im eigenen Körper gefangen. Julia Speiser und Svetlana Milicevic leiden unter dem Lipödem. Eine Operation könnte Heilung bringen. Doch die wird von den Krankenkassen nicht bezahlt.

Tausende Frauen leiden unter der Diagnose. Viele klagen bei Gericht für ihre Rechte. Die Geschichten der beiden Frauen aus dem Zollernalbkreis sind beispielhaft für Tausende in Deutschland.

Bei der 33-jährigen Altenpflegerin Julia Speiser aus Gruol brach die Krankheit vor fünf Jahren aus. Vermutlich wegen der Pille. Erst dachte sie, dass sie einfach nur zugenommen habe an Bauch und Oberschenkeln. Eines Tages kamen bei Druck oder beim Laufen "unerträgliche Schmerzen wie Messerstiche" hinzu. Zehn Ärzte hat sie konsultiert. Der immer gleiche Rat: Abnehmen, Sport treiben.

Kampf mit dem eigenen Körper

Zu ihrem Glück bekam sie Krampfadern. Der Phlebologe stellte sofort die Diagnose Lipödem. Seitdem muss die lebensfrohe Frau Tag für Tag eine Kompressionsstrumpfhose tragen. "Im Sommer ist das die Hölle." Ihre Leidensgenossin Svetlana Milicevic fügt hinzu: "Das fängt schon beim Anziehen an, das dauert bis zu 20 Minuten." Ein allmorgendlicher Kampf, der auch tagsüber nicht endet.

Die beiden schämen sich für ihren Körper, fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut. "Und dann geht man mal ein Eis essen, und die Leute sagen ›Boah, warum muss die Fette noch mehr fressen?‹", sagt Julia Speiser. Man merkt ihr im Gespräch an, wie sehr das schmerzt. "Meine Beine haben Hubbel und Löcher, ich habe ständig blaue Flecken", berichtet sie. Und erzählt weiter. Vor Ausbruch der Krankheit konnte sie mit Kleidergröße 36 nach Lust und Laune shoppen. Jetzt "habe ich eine total unförmige Körperproportion, brauche zwölf Größen mehr".

Hilfe der Krankenkassen frühestens ab 2023

Julia Speiser sitzt an vielen Abenden zu Hause und weint. Denn die Lösung ihres Leidens wäre so einfach – mit einer Operation, bei der das erkrankte Fettgewebe abgesaugt wird. Die Kosten dafür – zwischen 15.000 und 50.000 Euro – übernehmen die Kassen in Baden-Württemberg, anders als im Osten der Republik, nicht. Wohl aber die viermal im Jahr fälligen 950 Euro pro Strumpfhose und die Drainagen. Allein rechnerisch ist das für die Frauen nicht zu verstehen. 2023 soll eine Studie beendet sein. Dann erst wollen die Kassen über die OP entscheiden. Als Erkrankung hingegen ist das Lipödemlängst im Katalog. "Ich habe Glück. Ich werde nicht daran sterben. Und meine Lebensgefährtin liebt mich, wie ich bin", macht Julia Speiser sich Mut.

Den braucht auch die 30-jährige Informatikkauffrau Svetlana Milicevic Tag für Tag. Sie bekam die Diagnose vor zwei Jahren. Für sie Erleichterung und Schock zugleich. Bis sie 23 Jahre alt war, war sie gertenschlank. Dann nahm sie zu. Unaufhörlich veränderte sich ihr Körper. Blutabnahmen, Urintests, sogar ein Hirnscan folgten. Ohne Ergebnis. Bis eine Freundin eine Reportage sah und sie anrief: "Deine Beine sehen aus wie die bei der Frau im Fernsehen."

Sie ging erneut zur Ärztin. Volltreffer. Milicevic suchte Spezialisten in Köln, München und Stuttgart auf. Deren einhellige Meinung: Nur eine Operation kann dauerhaft die teils unerträglichen Schmerzen lindern. Doch die scheitert an den Krankenkassen. Eines Tages, befürchten beide Frauen, werden sie nicht mal mehr in normale Schuhe passen. "Das endet mit Elefantenbeinen. Der Körper explodiert buchstäblich."

Beide schweigen. Man merkt, dass sie Angst haben. Gleichzeitig aber Hoffnung auf ein Einsehen der Kostenträger. Damit sie wieder am Leben teilhaben können. Sich als Frau fühlen. Und damit es solche Situationen nicht mehr gibt, wie Speiser sie erlebt hat. "Beim Türkeiurlaub habe ich im Speisesaal in keinen Stuhl mit Armlehnen gepasst", sagt sie. Die Demütigung sitzt tief. Gleichzeitig haben beide den Mut, ihren Alltag weiter zu bestreiten. Sie wollen arbeiten. Und ein ganz normales Leben führen.