Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Reichspogromnacht beleuchtet Nachnutzung der ehemaligen Synagoge
Von Manuel Siebert
Haigerloch. Am 75. Jahrestag der Zerstörung der Synagogen in Deutschland fand in der ehemaligen Synagoge in Haigerloch eine Gedenkfeier des Gesprächskreis ehemalige Synagoge Haigerloch statt. Mitglieder und Zeitzeugen erinnerten an die bewegte Vergangenheit des Gebäudes.
Der Vorsitzende des Synagogenvereins Klaus Schubert erinnerte an die Zerstörung der Synagoge der jüdischen Gemeinde Haigerlochs am 9. November 1938 und an die Judenverfolgung. Kreisarchivar Andreas Zekorn sprach von der "dauerhaften Pflicht, nicht wegzuschauen". Auch Bürgermeister Götz forderte dazu auf, nicht "den leichten Weg des Vergessens" zu gehen.
"Die Haigerlocher Synagoge als Gebetshaus der jüdischen Gemeinde seit 1783 von der Zerstörung 1938 und der Umnutzung danach" beleuchtete Robert Frank in einem Kurzvortrag. Das Gebäude wurde am 30. Mai 1783 eingeweiht und war schnell zu klein, weil auch die Frauen zur Predigt kommen sollten. Deshalb wurde das Gebäude im Dezember 1839 verlängert und bot dann rund 294 Personen Platz. Die jüdische Gemeinde hatte zur damaligen Zeit 306 Mitglieder, davon waren 174 männlich und 132 weiblich.
Bei der Zerstörung der Synagoge am 9. November 1938 wurden sämtliche Fenster zertrümmert und die Inneneinrichtung in Trümmer gelegt. Ein Jahr später kaufte der damalige Bürgermeister das Gebäude "zur Ertüchtigung der Schuljugend" für rund 12000 Reichsmark und funktionierte das Gebäude zur Turnhalle um. Ab dem 1. März 1944 bis Kriegsende sei das Gebäude zur Lagerung von Rüstungsmaterial an die Lufthansa vermietet worden, für die Beschäftigten wurden Baracken unterhalb der Makospinnerei im Karlstal gebaut, so Frank. Nach Kriegsende ging das Gebäude kurzzeitig in den Besitz der israelitischen Kultusvereinigung über, bevor es im Dezember 1951 erneut verkauft wurde. Der neue Besitzer richtete dort ein Kino ein, das bis 1968 existierte und danach in einen Supermarkt umgewandelt wurde.
1999 ging das Gebäude in den Besitz der Stadt über und seit 2004 ist in der ehemaligen Synagoge die vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg eingerichtete Dauerausstellung "Spurensicherung: Jüdische Spuren in Hohenzollern" beheimatet.
Ein Gesprächsinterview durch Margarete Kollmar und Gisela Schumayer mit Roland Belser, dem früheren Filmvorführer im Haigerlocher Kino, bildete den zweiten Teil der Gedenkfeier. Nach 1965 war der damals 19-jährige für eineinhalb Jahre Filmvorführer in der ehemaligen Synagoge. Gezeigt wurden Filme wie "Ben Hur" oder "Cleopatra". Vorführtage waren jeweils am Freitag- und Samstagabend, an den Sonntagnachmittagen und abends. Dass es sich bei dem Kino um ein früheres Synagogengebäude handelte wurde in den jeweiligen Elternhäusern offenbar verschwiegen, die Jugend war über den ursprünglichen Nutzen des Gebäudes kaum informiert.
Mit "Klage" und "Schwermut" aus „Stimmung eines Fauns“ von der Komponistin Ilse Fromm-Michaels sorgte die Klarinettistin Sarah Schumayer für den musikalischen Rahmen der Veranstaltung.