Bewohner des Jakobushauses und Jugendkunstschüler sprühen beim Projekt von Michl Brenner um die Wette
Von Gert Ungureanu
Balingen. "Radfahrer bitte absteigen", steht auf dem Asphalt am Eingang zum Rad- und Fußgängertunnel hinter dem Real-Markt. Es riecht nach Lösungsmitteln, gearbeitet wird mit Atemschutz. Wohnungslose und Schüler der Jugendkunstschule gestalten ein gemeinsames Projekt: Die Tunnelwände werden mit Graffiti verziert.
"Kunst ist das Verbindende, das uns Menschen auszeichnet", sagt der Künstler und Wahl-Balinger Michl Brenner. Die Leute aus dem Caritas-Heim würden so zeigen, "dass sie etwas können". Es ist nicht das erste Kunstprojekt, das Michl Brenner mit Bewohnern des Jakobushauses umsetzt. Auch die Kapelle beim Jakobushaus wurde nach seinem Entwurf gestaltet. Arbeiten der Bewohner waren schon in Ausstellungen zu sehen, einige hängen heute noch im Obdachlosenheim Auf Gehrn.
Wie es zu dem Projekt gekommen ist? Es habe immer wieder Beschwerden gegeben von Leuten, von Müttern und Kindern, von Älteren, sagt Sozialarbeiterin Meggi Wimmer. "Es hieß, unsere Leute würden da stehen und Alkohol trinken, Schmutz und Scherben hinterlassen." Zwei Welten prallen aufeinander.
Genau das ist Thema des Projekts, das die "gute" Seite mit der "bösen" verbinden möchte. Mit von der Partie: das Jugendatelier der Jugendkunstschule, eine Kooperation mit der vhs Balingen also. Und selbstverständlich die Bewohner des Obdachlosenheims: "Mal mehr, mal weniger machen mit", sagt Michl Brenner. Allerdings gebe es einen "harten Kern", Leute, die schon bei den vergangenen Kunstprojekten mitgemacht hätten. "Es muss wachsen, wir hoffen, dass auch die anderen Lust bekommen." Zum "harten Kern" gehört Meliha, die keinen Familiennamen hat. Sie war schon bei den früheren Projekten dabei. Und Gerhard Klütsch, der frühere Brummifahrer, der aus Köln stammt und bereits vor zehn Jahren einmal im Caritas-Obdachlosenheim untergekommen war.
"Relativ zwanglos" sei das Ganze gedacht, sagt Brenner. Das Böse steht neben dem Guten, das Bedrohliche neben dem, was das Leben lebenswert macht: "Jeder hat seine Symbole und bringt sie hinein." Totenschädel neben Pacman, Blumen und Bäume neben "Shit". Gar nicht so einfach bei den Wellblech-Wänden: Wenn man direkt davor steht, sieht man nicht genau, was man macht. Das Ergebnis: Je nachdem, von welcher Seite man kommt, ist ein anderes Bild zu sehen.
"Es ist keine große Kunst", sagt Brenner, "aber das sollte es auch gar nicht sein." Als Fortsetzung des Erlebniswegs, den die Wohnungslosen mit unterschiedlichem Untergrund und Mosaik gestaltet haben, der zum Jakobushaus hinführt. Vielleicht, meint Brenner, werde es irgendwann am Wegrand auch Figuren oder Stelen geben, das Ergebnis eines weiteren Projekts. Kunst sei schließlich die "Kompetenz, die den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet".