Im Dialog: Lisa Federle und Günther-Martin Pauli. Allein auf dem Facebook-Kanal des Landratsamts verfolgten bis zu 100 Zuschauer das Gespräch. Fragen gab es viele. Foto: Hirt

Zu Corona gibt es noch viele Fragen. Keiner weiß, wie sich die Zukunft gestalten wird. Für Lisa Federle steht fest: "So ein Jahr können wir den Menschen nicht mehr zumuten. Wir werden mit dem Virus leben müssen." Die Notärztin, DRK-Präsidentin und Pandemiebeauftragte der Stadt Tübingen war zu Gast beim Online-Bürgerdialog mit Landrat Günther-Martin Pauli.

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Zollernalbkreis - Im Februar 2020 habe sie zu ihrem DRK-Team gesagt: "Da kommt was auf uns zu." Zunächst habe das keiner geglaubt, so Federle. "Aber nach vier, fünf Tagen haben sie gemerkt, das ist eine ernste Geschichte", erzählt sie. Im März habe man in Tübingen damit begonnen, zu testen. Auch symptomlose Patienten. Auch in Altenheimen.

Mit dem Arztmobil war Lisa Federle unterwegs, testete auf dem Parkplatz des Bergfriedhofs. Einen anderen Standort habe es nicht gegeben, erinnert sie sich. Dafür eine Abfuhr vom Sozialministerium: Die Kosten, habe es geheißen, könne man nicht übernehmen. Da müsse sie sich ans Sozialgericht wenden. Sie habe trotzdem weitergemacht – und viele Positive ohne Symptome "herausgezogen". Danach sei Testen zur Regel geworden.

Inzidenz relativ hoch

Im Zollernalbkreis sei die Inzidenz derzeit mit 240 relativ hoch, sagte Pauli. Die "dritte Welle" sei hier "schwerer in Schwung gekommen". Anderswo gehe es derzeit mit den Neuinfektionen bergab.

Aber die Politik, die sich allein an der Inzidenz orientiere, sorge für Ärger. Wo viel getestet werde, sei auch die Inzidenz hoch, weiß Federle: In Tübingen, wo "maximal getestet" werde, sei man zeitweilig um 25 bis 50 Prozent über den anderen Städten gelegen. Es gelte, beherzt weiterzutesten, sagte Pauli: "Es ist die einzige Methode, um Menschen zu schützen."

Vor einem Jahr habe man noch geglaubt und gehofft, nach der "ersten Welle" sei alles vorbei. Jetzt gebe es Mutanten, dramatische Krankheitsverläufe auch bei Jüngeren. Und man wisse nicht, ob die Impfung dauerhaften Schutz biete. Oder wie man mit "Long-Covid" umzugehen habe. Unter Umständen könne Corona lebenslang arbeitsunfähig machen. Vielleicht müsse nach einem halben Jahr ein drittes Mal nachgeimpft werden, danach vielleicht jährlich.

Einen Hotspot gibt es nicht

Wo genau im Zollernalbkreis die Inzidenz so hoch sei?, fragte ein Zuschauer. Einen Hotspot gebe es nicht, erwiderte Pauli: "Die Situation ist diffus." Insbesondere im privaten Bereich infiziere man sich häufig. "Manche erwischt es richtig brutal, andere kommen ungeschoren davon." Das könne man nicht "landkreisscharf" festmachen, es gebe viele Berufspendler.

Flächendeckende Testpflicht? Die werde es nicht geben, sagte Federle. Anfangs sei es schwierig gewesen, die Menschen dazu zu bewegen. Vor allem, weil die Tests bei geringer Viruslast sehr unsicher seien. Testen biete nur "eine gewisse Übersicht". Später sei Testen selbstverständlich geworden.

Was den Lockdown betreffe, gelte es, ein "gesundes Mittelmaß" zu finden, abzuwägen. Zu Hause zu sitzen, mache die Menschen mürbe: Viele seien einsam, die Grundstimmung schwanke zwischen depressiv und aggressiv. Sie habe von Personen gehört, die sich das Leben nahmen. Und sie sei beschimpft worden als "Massenmörderin, die Menschen totspritzt". Federle ist zuversichtlich: "Es wird besser, hundertprozentig."

Digitaler Impfpass

Wie geht es weiter? Impfen, so schnell wie möglich. "Wir arbeiten auf allen Kanälen, aber wir können den Impfstoff nicht herzaubern", sagte Pauli. Im Zollernalbkreis seien momentan mehr als 50.000 Menschen geimpft, davon mehr als 9000 zum zweiten Mal. Es könnten noch mehr sein. Als erster Landkreis in Baden-Württemberg stelle der Zollernalbkreis einen digitalen Impfpass aus. Ein Anreiz unter anderem, wenn man in Urlaub fahren wolle.

Während der Pandemie habe er auch "viele schöne Dinge" erfahren, so Pauli: Die Menschen zeigten sich solidarisch, würden helfen. Unerfreulich sei, dass man auch Beschimpfungen und Verurteilungen ausgesetzt sei.

Mit dem Frühling komme die Hoffnung, so Pauli. Es geht wieder an die frische Luft. Ein Schritt zurück in die Normalität. Die Forderung von Lisa Federle: Sportstätten und Außengastronomie öffnen, die Leute "rauslassen".