Vera Klaiber leitet die Kirchenchöre in Heselwangen und Aldingen – in der Stadtkirche dirigierte sie gefühlvoll und exakt das Orchester und den Chor der Musikhochschule Trossingen. Foto: Meinert Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Chor und das Orchester der Musikhochschule Trossingen führen "Paulus" in der Stadtkirche auf

Ein eindrucksvolles Konzert haben der Chor und das Orchester der Musikhochschule Trossingen bei der Aufführung des Oratoriums Paulus in der Stadtkirche geboten.

Balingen. 27 Jahre alt war Felix Mendelssohn Bartholdy, als sein Oratorium Paulus 1836 uraufgeführt wurde – auch zwei der drei Dirigenten, die die Balinger Aufführung des Oratoriums durch den Chor und das Orchester der Musikhochschule Trossingen dirigierten, feiern in diesem Jahr ihren 27. Geburtstag: der in Hamburg geborene Organist, Chorleiter und Komponist Jochen Kiene sowie die aus Balingen kommende Organistin und Chorleiterin Vera Klaiber. Beide studieren an der Trossinger Musikhochschule Kirchenmusik.

Dritter Dirigent in der Aufführung war Patrick Egge, dessen Schwerpunkt nach abgeschlossenem Schulmusikstudium mit den Hauptfächern Klavier und Komposition in der Leitung von Blasorchestern liegt. So ist Egge musikalischer Leiter des Musikvereins Dormettingen und Stadtmusikdirektor in Bonndorf.

Ein großes Orchester mit vier Kontrabässen ist auch in der Stadtkirche nur selten zu hören. Mit dem Hochschulchor und den Gesangssolisten stand den Dirigenten ein voluminöser Klangapparat zur Verfügung, der durch seinen Gesamtleiter Michael Alber ein hohes musikalisches Niveau erwarten ließ. Alber war von 1993 bis 2012 Chordirektor des Stuttgarter Staatsopernchors, der unter seiner Leitung neun Mal zum "Opernchor des Jahres" gekürt worden war – seit 2012 lehrt er Chorleitung in Trossingen.

Den dirigentischen Auftakt übernahm Egge. Konzentriert und exakt formte er einen runden und vollen Klang, und beeindruckte in der Ouvertüre durch eine große dynamische Bandbreite, die seine Erfahrung erkennen ließ. Wirkte das Orchester beim Eingangschor im Verhältnis zum Chor noch leicht überdimensioniert, wurde bereits beim nachfolgenden, langsam vorgetragenen Choral das Klangverhältnis der beiden Gruppen ausgeglichener. Als Gesangssolistin gefiel Lea Sophie Decker mit ihrer schlanken und klaren Sopranstimme. Der lyrisch singende Tenor Mitsuo Ogomori überzeugte mit großem Stimmvolumen und differenzierte stilsicher und eindrucksvoll zwischen der Partie des Erzählers und der Rolle des Stephanus, der im ersten Teil des Oratoriums als Gotteslästerer gesteinigt wird.

Auch Christoph Schweizer, der die Titelpartie des Paulus sang, stellte mit seiner nuancierten Bassstimme die Wandlung des Christenverfolgers Saulus zum Apostel Paulus facettenreich und beeindruckend dar. Die Mezzosopranistin Sarah-Lena Eitrich aus Reutlingen überzeugte durch eine weiche und warme Klangfarbe sowohl in der hohen als auch in der tiefen Lage, mit der sie dem Oratorientext eine große Eindringlichkeit verlieh.

Zu einem klanglichen Höhepunkt des ersten Teils wurde der Chor "Mache dich auf, werde Licht", der inhaltlich die bevorstehende Wandlung vom Saulus zum Paulus ankündigt und von Egge zu einem fulminanten Glanzpunkt geformt wurde.

Im zweiten Teil übernahm Klaiber das Dirigat und ließ ihre Erfahrung als Chorleiterin spürbar und hörbar einfließen. Der Chor klang kräftiger und strahlender; die exakten Orchestereinsätze bei den Secco-Rezitativen wurden ebenso überzeugend dirigiert wie die lebendige Agogik bei den Accompagnato-Rezitativen. Gleichzeitig strahlte Klaiber eine gekonnte Mischung aus Ruhe und Souveränität aus, die sich sichtbar und hörbar auf die Ausführenden übertrug, als sie mit dem Text des Oratoriums das Wirken des Apostels Paulus beschrieben. Fließende Tempi setzten das inhaltliche Geschehen gekonnt in eine musikalische Sprache um, die die Zuhörer mitnahm.

Im Oratorium folgt auf den Aufstieg des Paulus dessen Untergang, als er vom Verfolger zum Verfolgten wird – in der Aufführung wechselte das Dirigat von Klaiber zu Jochen Kiene. Kiene, der Erfahrung aus der Männerchorleitung und als Dirigent chorischer Großprojekte mitbringt, zeigte ein temperamentvolles Dirigat mit zackigen Bewegungen, unter dem Chor und Orchester eine der inhaltlichen Dramatik des Werks angemessene Klangsprache entfalteten.

Der Chor brillierte mit einer großen Gestaltungsbandbreite zwischen einem hetzenden "Steiniget ihn" und einem flehend frommen "Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget", und auch die Solisten konnten in ihren Rezitativen noch einmal die ganze Ausdruckskraft und gestalterische Bandbreite ihrer Stimmen zum Ausdruck bringen.

So wurde das Oratorium nicht nur zu einem berührenden Glaubenszeugnis, sondern gab zugleich Zeugnis von der hervorragenden Arbeit, die in der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen geleistet wird. Stehende Ovationen des Publikums und ein erfreuter und stolzer künstlerischer Gesamtleiter belohnten die Ausführenden für die gelungene Aufführung dieses anspruchsvollen Werks der deutschen Romantik.