Soziales: Grünen-Landtags- und Bundestagskandidaten fordern Öffnung für Flüchtlinge aus Elendslagern an der EU-Grenze
Manche fordern Mauern und Abschottung. Nicht mit den Grünen: Unter dem Titel "Sicherer Hafen Baden-Württemberg" haben prominente Mitglieder online nach Lösungen gesucht.
Balingen. Die Gesprächsrunde bildeten die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Agnieszka Brugger, Bundestagskandidat Johannes Kretschmann, die Landtagskandidaten Cindy Holmberg (Hechingen-Münsingen) und Erwin Feucht (Balingen) sowie die Reutlinger Asylpfarrerin Ines Fischer.
Flüchtlingselend wie in Lipa und Moria, "KZ"-ähnliche Zustände in Flüchtlingslagern in Libyen, eine Küstenwache, bei der "niemand weiß, unter wessen Kontrolle sie steht", eine Grenzschutzagentur, die Flüchtlingsboote zurückdrängt, und ein Bundesinnenminister, der sich an seinem 69. Geburtstag freut, dass 69 Afghanen in ihre Heimat abgeschoben werden – Agnieszka Brugger weiß: Es gehe eher um eine "Migrationskontrolle" als darum, das Leid der Menschen in deren Heimatländern geringer zu machen. Über alldem stehe das Recht auf Asyl, "das jedem gewährt werden muss".
In Deutschland gibt es 200 "Sichere Häfen"
Auf die Forderung der Grünen, Menschen von den griechischen Inseln aufzunehmen, habe es geheißen, man wolle keinen "deutschen Alleingang". Dabei seien viele andere EU-Länder bereit, Flüchtlinge aufzunehmen, und deutschlandweit gebe es mehr als 200 "Sichere Häfen", die bereit seien, zu helfen: "Es gibt viel Hilfsbereitschaft und positive Energie vor Ort."
Ines Fischer verweist auf den neuen Pakt, an dem derzeit gearbeitet werde: "Wenn dieser Pakt verabschiedet wird, dann bleibt Flüchtlingen der Weg nach Europa gänzlich verschlossen." Ein Landesaufnahmeprogramm habe oberste Priorität; in Baden-Württemberg gebe es 31 Kommunen, die sich zum "Sicheren Hafen" erklärt hätten, und viele Menschen, die in der Seenotrettung aktiv seien.
Kritikpunkte gibt es für die Grünen einige: etwa dass ein Flüchtling ein Jahr lang warten müsse, bis er einen Antrag auf Beschäftigung stellen könne. Oder es werde argumentiert, dass Flüchtlinge jahrelang in Massenunterkünften bleiben müssten, weil sie "möglicherweise" abgeschoben würden. Dabei gebe es gute Konzepte für eine dezentrale Unterbringung.
"Nicht mit dem Finger auf Osteuropa zeigen"
Cindy Holmberg stellt klar, dass es nicht nur am Koalitionspartner liege, sondern an der mangelnden Mehrheit: Die Aufnahme der Jesidinnen sei damals von Grün-Rot mehrheitlich beschlossen worden.
Erwin Feucht, der sich in Balingen im Arbeitskreis Asyl engagiert, betont, dass die Flüchtlingsaufnahme fester Bestandteil der nächsten Koalitionsverhandlungen sein müsse. Johannes Kretschmann warnt davor, "mit dem Finger auf Osteuropa zu zeigen", weil Ungarn und Polen sich weigern würden, Flüchtlinge aufzunehmen.
Es gelte, die Länder an den europäischen Außengrenzen besser zu unterstützen und mehr Verhandlungsmasse in die Waagschale zu werfen. Eine föderale Staatenregelung müsse es geben, ähnlich wie der "Königsteiner Schlüssel".
Agnieszka Brugger hält die Regelung, dass die europäischen Staaten, wo die Flüchtlinge zuerst hinkommen, diese auch aufnehmen müssen, für den falschen Weg. Genau so falsch sei es, abgeschottete Lager zu bauen. Was sie sich wünscht, ist eine Regierung, "die nicht von oben blockiert". Denn: "Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist groß."
Stichwort Pandemie: Der Arbeitskreis Asyl leide doppelt darunter, sagte Feucht. Dadurch sterbe das soziale Miteinander.
Sprachkurse und Nachhilfeunterricht gebe es nur online, weiß Ines Fischer, und in vielen Fällen hätten die Menschen in den Flüchtlingsunterkünften kein WLAN, um teilnehmen zu können. Diese Menschen, fügte Cindy Holmberg hinzu, und die Jugendlichen in den Vorbereitungsklassen "werden dadurch noch mehr abgehängt".
Feucht: Grüne hoffen auf weitere Unterstützung
Erwin Feucht betont, dass die Kreis-Grünen weiter an dem "Sicheren Hafen Zollernalb" arbeiten würden. Er hoffe, dabei noch die ein oder andere Unterstützung zu bekommen.