Wo man normalerweise Runden drehen muss, um einen Parkplatz zu finden, hat man am Mittwochvormittag die freie Auswahl: Nach der Schließung der Einzelhandelsgeschäfte im Zuge der Corona-Krise ist die Balinger Innenstadt wie leergefegt. Foto: Maier

Händler schließen, Balinger City wie leergefegt. Ordnungsamt kontrolliert Vorgaben.

Balingen - Die "Einkaufsstadt" Balingen steht still: Nach der Verfügung der Landesregierung, die am späten Dienstag veröffentlicht wurde und am Mittwoch sofort in Kraft trat, mussten die meisten Händler ihre Geschäfte schließen.

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Bernd Flohr ist Vorsitzender des Balinger Handels- und Gewerbevereins (HGV) und kann nachvollziehen, dass viele Geschäfte geschlossen bleiben müssen. Der Handel trage somit dazu bei, dass Ansteckungsfälle so gering wie möglich gehalten würden – und das mit großen finanziellen Opfern. "Sie können sich vorstellen, wie das für ein Geschäft ist, wenn es über eine lange Zeit keinen Umsatz macht", sagt Flohr.

Einen Vorteil, den er für die Balinger Einzelhändler sieht, ist, dass viele Geschäfte inhabergeführt seien, die Immobilien sich also im Eigentum des Ladenbetreibers befänden. So müssten diese bei ausbleibendem Umsatz nicht auch noch Pacht oder Miete bezahlen. In diesem Zusammenhang appeliert Flohr an die Solidarität all jener, die Ladengeschäfte vermieten.

"Vorgaben knallhart einhalten"

Wenn die Geschäfte schon schließen, um die Ansteckungsgefahr zu verringern, dann seien auch alle Bürger aufgefordert, sich solidarisch zu zeigen und soziale Kontakte möglichst einzuschränken. "Ich appelliere an die Menschen, die Vorgaben knallhart und zu 100 Prozent einzuhalten", fordert Flohr. Als nächsten Schritt befürchtet er sonst, dass in den kommenden Tagen ein Ausgehverbot ausgesprochen werde. "Es ist fünf nach Zwölf."

Kritik übt der HGV-Vorsitzende an der Informationspolitik der Regierung. So habe er sich am Mittwochmorgen die Verordnung zur Ladenschließung erst im Internet zusammensuchen müssen. Hier hätte er sich eine zentrale Information, beispielsweise aus dem Rathaus, gewünscht. "Wir können damit umgehen, aber wir hätten gerne eine klare Ansage gehabt."

Edeka-Umsätze gewachsen

Nicht geschlossen sind Geschäfte, die der Versorgung dienen – wie etwa der Edeka-Koch-Markt im Gewerbegebiet Gehrn. Dessen Geschäftsführer Klaus Koch berichtet davon, dass die Umsätze in den vergangenen Tagen gewachsen seien. Er vergleicht die aktuelle Situation mit dem Weihnachtsgeschäft. Daher sei auch das Personal aufgestockt worden.

Die Kunden kauften zwar mehr ein, weil zu Hause auch mehr benötigt werde angesichts der Schließung von Restaurants und Imbissläden. "Die Einkäufe befinden sich in der Regel noch im Normalmaß", hält Koch fest, wobei es auch Kunden gebe, die nur kämen, um zum Beispiel Mehl, Zucker oder Toilettenpapier zu hamstern. Dabei sei die Versorgung gesichert, betont er, auch wenn es hin und wieder Verzögerungen gebe. Aber auch die Logistikunternehmen müssten sich erst auf die neue Situation einstellen.

Zugangsbeschränkungen nicht ausgeschlossen

Derzeit sei es kein Thema, den Markt auch sonntags zu öffnen, sagt Koch. Im Gegenteil: Angesichts der vielen Überstunden, die abgebaut werden müssten, könnten die Öffnungszeiten etwas reduziert werden. Auch Zugangsbeschränkungen seien nicht ausgeschlossen. Doch Koch gibt sich zuversichtlich, dass mit Disziplin die gegenwärtige Situation zu meistern sei und betont: "Es geht weiter."

In der Balinger Rossmann-Filiale am Kirchplatz geht es am Mittwochnachmittag betont ruhig zu. An zwei Kassen stehen die Kunden geduldig an, in der Hand Kleinigkeiten für den täglichen Bedarf. So beschaulich war es in den vergangenen Tagen nicht immer. Kunden hätten sich zwischenzeitlich fast geprügelt, um noch eine Packung Klopapier zu bekommen, erzählt eine Rossmann-Mitarbeiterin. Szenen, die man vor einiger Zeit nur vom Fernseher her kannte.

Die Kunden hätten teilweise eine Aggressivität an den Tag gelegt, die sie so bisher nicht gekannt hätten, meint eine andere Mitarbeiterin und ergänzt: "Sogar beleidigen lassen mussten wir uns in den vergangenen Tagen." Fassungslos ob solchen Verhaltens verrichtet das Rossmann-Team mit Ruhe seine Arbeit. Am Mittwochnachmittag werden beispielsweise die Tester im Bereich Kosmetik ausgeräumt. "Heute geht es ganz normal zu. Als alles angefangen hat, vor ein, zwei Wochen, war es aber richtig schlimm."

Derweil patroullieren am Mittwoch Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamts durch die Fußgängerzone und schauen, ob die Geschäfte die Schließungsanordnung auch einhalten. In einigen Betrieben mussten die Beamten etwas nachhelfen, damit diese umgesetzt wird. In den Gaststätten und Eisdielen wurde zudem kontrolliert, ob die vorgeschriebenen Mindestabstände zwischen den Tischen eingehalten werden. Da wurde auch schon mal mit dem Meterstab nachgemessen.