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Doku-Reportage im Bali-Kino-Palast unterfüttert aktuelle Debatte

Können Balingen, andere Kommunen und der Zollernalbkreis, obwohl fernab jeder Küstenlinie, sichere Häfen für Menschen auf der Flucht sein? Im Bali-Kino haben am Montagabend 200 Zuschauer die Doku-Reportage über das Rettungsschiff Sea-Watch 3 verfolgt, Forderungen nach einer entsprechenden zumindest symbolischen Haltung erhielten Applaus.

Balingen. Mehrere Institutionen und Vereine hatten die Veranstaltung im Balinger Kino auf die Beine gestellt. Ziel war es, neben der Vorführung des Films zu einer Debatte und zu einem Nachdenken über Flüchtlingsfragen anzuregen. Ludwig Rudloff, Bischöflicher Beauftragter für Flüchtlingsfragen der Diözese Rottenburg-Stuttgart, sagte, dass sich die mitunter unmenschliche Politik auf Bundes- und EU-Ebene vielleicht ändern lasse. Dem Sterben auf dem Mittelmeer dürfe man nicht nur zuschauen, man müsse etwas tun.

Die Dokumentation von Nadia Kailouli und dem Bisinger Jonas Schreijäg beschreibt die Lage an Bord der Sea-Watch 3, eines privaten Rettungsschiffs, das im zurückliegenden Sommer im Mittelmeer 53 Flüchtlinge aus Afrika von einem völlig unzureichenden Schlauchboot rettete, darunter Kinder und Schwangere. Die Flüchtlinge berichten von Torturen vor allem in Libyen. Der Film zeigt ihre wachsende Verzweiflung während fast 20 Tagen an Bord, er zeigt den zunächst vergeblichen Versuch der Kapitänin Carola Rackete, sie an einem sicheren Hafen an Land zu bringen.

Und er dokumentiert die Widersprüche der Politik: Die EU stellte vor ziemlich genau einem Jahr die Seenotrettung auf dem Mittelmeer ein, private Initiativen werden derweil oft kriminalisiert – so wie Kapitänin Rackete durch den damaligen italienischen Innenminister Matteo Salvini, als sie trotz Verbots Lampedusa ansteuerte. Eine Besucherin sagte, sie bewundere diese Kapitänin: Rackete sei ein "Mutmensch". Auch dafür gab es Beifall.

Was all das mit Balingen, mit dem Zollernalbkreis zu tun hat, erläuterte Ines Fischer, Asylpfarrerin der Prälatur Reutlingen: Grundsätzlich könne jede Kommune und jeder Landkreis ein "sicherer Hafen" sein. Das bedeute keineswegs, dass in der Folge Flüchtlinge vom Mittelmeer dorthin kämen, vor allem nicht in großer Zahl. Vielmehr sei es ein Zeichen dafür, dass man sich mit der internationalen Bewegung der Seebrücke solidarisch zeige, dass man zudem die Bereitschaft aussende, dass es einem nicht egal ist, wenn Menschen auf dem Mittelmeer ertrinken.

17 "sichere Häfen" gibt es laut Fischer derzeit in Baden-Württemberg, 127 bundesweit. Zudem sei es, so Fischer weiter, ein Zeichen gegen die aktuelle Bundes- und EU-Politik, deren Ziel es sei, etwa durch die Unterstützung der libyschen Küstenwache, möglichst keine Flüchtlinge nach Europa gelangen zu lassen. Alle Bürger in Europa säßen, sagte Fischer, derzeit "mit im Boot, die diese Menschen abfängt – aber wollen wir diese Art der Flüchtlingsabwehr wirklich?" Fischer rief die Kinobesucher dazu auf, ihre Bundes- und EU-Abgeordneten diesbezüglich anzusprechen – denn diese hätten genau diese Politik zu verantworten.

Einer der Kinobesucher erklärte spontan, in einigen Tagen im Meßstetter Gemeinderat in der Bürgersprechstunde anzuregen, dass sich die Stadt zu einem "sicheren Hafen" erklären solle. Ähnliche Bestrebungen gibt es derzeit auch in Balingen sowie auf Kreisebene. Angestoßen von den Grünen, wenn auch noch auf recht kleiner Flamme. Die Widerstände gegen diese Art der Solidarität sind groß. Fast schon bezeichnend war es, dass zwar viele Vertreter der Zivilgesellschaft im Kino dabei waren, Lokal- und Kreispolitiker dagegen an einer Hand abgezählt werden konnten, von den Bundestagsabgeordneten ganz zu schweigen. Und in Balingen etwa scheiterte allein der Wunsch, den Tuttlinger Oberbürgermeister Michael Beck, dessen Stadt seit Juli 2019 ein sicherer Hafen ist, in den Gemeinderat einzulasen und zum Thema überhaupt anzuhören.