Wenn sie in den alten Akten blättert, ist sie glücklich: "Ich kann jede Handschrift lesen", sagt Yvonne Arras. Fotos: Ungureanu Foto: Schwarzwälder Bote

Porträt: Yvonne Arras leitet Stadtarchiv und ist für Ausstellungen zuständig / Digitalisierung großes Thema

Einen Stadtarchivar stellt man sich eher alt vor, blass, mit Nickelbrille, vergraben hinter dicken Aktenbergen. Sie ist jung, sie lacht gerne, und sie freut sich auf die Herausforderung in Balingen: Yvonne Arras hat zum 1. Oktober 2017 das Balinger Stadtarchiv übernommen.

Balingen. Es sei gewissermaßen ein "Sprung ins kalte Wasser" gewesen, räumt die 32-Jährige ein. Denn es habe keine Übernahme gegeben. Ihr Vorgänger, Stadtarchivar Hans Schimpf-Reinhardt, "der genau wusste, was wo ist", sei nicht mehr da gewesen, um sie einzuweisen. "Aber mir war von Anfang an klar, worauf ich mich einlasse", sagt sie.

Mit Archivarbeit kennt sie sich aus. Ehe sie nach Balingen kam, hatte die promovierte Kunsthistorikerin, Literaturwissenschaftlerin und Romanistin mit Schwerpunkt Französisch als Archivarin im Staatsarchiv in Sigmaringen gearbeitet. Warum Archiv? Durch ihre Dissertation über das Kloster Stetten sei der Direktor des Staatsarchivs auf die aufmerksam geworden. "Bei einer Konferenz in Tübingen hat er mir die Stelle angeboten", sagt sie.

In Balingen habe sie die Stelle gereizt, weil sie nicht nur das Archiv umfasse, sondern auch die Ausstellungen in der Zehntscheuer und im Zollernschloss, das Heimatmuseum und die Eckenfelder-Galerie. Diese Kombination sei "einzigartig", sagt sie. Zu den Aufgaben der Balinger Stadtarchivarin gehöre es auch, Wechselausstellungen zu organisieren. Das Balinger Stadtarchiv habe sie schon früher, als Nutzerin kennengelernt, erzählt die gebürtige Tübingerin, die in Vöhringen im Kreis Rottweil lebt. In die Balinger Stadtgeschichte arbeite sie sich nach und nach ein. Vieles wisse sie bereits, manches noch nicht. Immerhin könne sie nach ein paar Monaten Einarbeitung sagen, was wo zu finden sei im Archiv. Und wenn sie mal nicht weiter wisse, helfe ihr ihre Mitarbeiterin Gertrud Rux, die das Archiv seit vielen Jahren kennt

Noch längst nicht alle Archive seien unter einem Dach, schätzt sie. Vielleicht die Hälfte. Hinzu kommt weiteres Material, unter anderem aus den Ortsteilen sowie aus dem Depot. Alt und verstaubt? Sie muss schon wieder lachen. Die Aufgaben eines Archivars hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert: "Man arbeitet am Computer, die Akten werden digital archiviert." Weil man heute aber nicht wisse, ob PDF-Dateien in 50 Jahren noch gelesen werden können, setze man auf die sogenannte hybride Überlieferung: Archiviert werde digital und analog, auf Papier. Das werde ein großes Thema in den nächsten Jahren sein. Und das nächste große Thema sei zweifellos das neue Archiv, für das noch ein Standort gesucht werde.

Die Entscheidung werde in den nächsten Monaten getroffen, sagt Harry Jenter, der Leiter des städtischen Amts für Kultur, Bildung und Vereine. "Das Gebäude an der Eckenfelderstraße wird erst aufgegeben, wenn das neue steht", sagt er. Darüber bestehe "absoluter Konsens".

Bis dahin bleibt Yvonne Arras noch etwas Zeit, sich durch die umfangreiche Fotosammlung zu arbeiten. "Sie ist noch nicht digital, aber wir sind dran, zu katalogisieren", sagt sie. Und zwischendurch gibt es auch noch Überraschungen: "Wir stoßen im Depot der Zehntscheuer immer wieder auf Exponate, die noch nicht erfasst sind. Und das ist immer wieder etwas Besonderes."

Irgendwann werde vielleicht auch die Langscheuer in der Keplerstraße an die Reihe kommen. Auch dort gebe es vermutlich noch ungesichtete Schätze.

Geschäft gibt es genug. Laufend kommen telefonische Anfragen, und drei bis vier Nutzer pro Woche, die in den alten Bänden nach bestimmten Informationen suchen. "Ich bin jetzt eben Ansprechpartnerin für alles", sagt Arras und lacht: "Auch außerhalb der normalen Öffnungszeiten."