Religion: Zum Abschluss des Reformationsjubiläums spricht Neutestamentler Hans-Joachim Eckstein
Balingen. Mit fulminanten Orgelklängen hat Ulrike Ehni die Abschlussveranstaltung zum Reformationsjubiläum in der Balinger Stadtkirche eingeleitet. Im Reformationsjahr dürfe man sich nicht damit begnügen, in der Vergangenheit zu schwelgen, gab Dekan Beatus Widmann zu bedenken.
Der Tübinger Neutestamentler Hans-Joachim Eckstein erläuterte mit anschaulichen Beispielen, was das Evangelium zur "erfreulichen Botschaft" macht. Das Jubiläum müsse in der Gegenwart ankommen. Diesem Anliegen widmete sich der Vortrag von unter dem Motto: "Allein aus dem Glauben … Die Wiederentdeckung des Evangeliums und die reformatorische Freude". Reformation bedeute Erneuerung, Wiederentdeckung, so Eckstein. Dieser Prozess sei nicht abgeschlossen, sondern setze sich stetig fort. Der griechische Begriff "Evangelium" bedeutet "gute Botschaft". Kaiser hätten bei ihrer Inthronisation Evangelien verkündet, etwa Steuersenkungen.
Luther entdeckte laut Eckstein die "gute Nachricht" in den Paulusbriefen: "Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht: Es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt …" Mit Paulus sehe sich Luther ganz auf den Gekreuzigten bezogen. Die Kirche könne nicht an Christi Stelle treten. Seine Grundbotschaft: Es gibt einen dem Menschen zugewandten Gott, der aus Liebe zu den Menschen sogar zur Hingabe seines Sohnes bereit ist. In Jesus komme Gott zu den Menschen, trage ihre Leiden aus Liebe zu ihnen, erläuterte Eckstein.
Sein ganzes Leben habe Luther auf Gott ausgerichtet. Er habe ihn als Richter gefürchtet, sich in seinem Glauben mit der Frage gequält: "Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?" Mit Paulus habe er die dem Evangelium innewohnende Kraft Gottes erlebt, die sich für den Menschen zum Heil auswirke. Die gute Botschaft gelte für jeden, ungeachtet der ethnischen Zugehörigkeit, ohne Vorbedingung. Diese Erkenntnis sei heute so aktuell wie damals, gab Eckstein zu bedenken: "Wieviel Energie investieren wir im Bemühen um Anerkennung, Zuwendung, Liebe?"
Der Mensch sei geboren aus einer Beziehung heraus und auf Beziehung angewiesen. Am Beginn und am Ende des Lebens werde dies besonders deutlich, auch wenn es in der Lebensmitte mitunter so scheine, als könnte man ohne Beziehung auskommen.
In einer Gesellschaft, die auf Leistung angelegt ist, sehne sich der Mensch nach Wertschätzung, die ihm selbst gelte. Und dies sei die Entdeckung der Reformation, die Botschaft, die von Weihnachten und vom Kreuz ausgehe, so Eckstein: die Gewissheit, dass der Mensch von Gott gewollt sei, ein Geschenk, das Gott sich selbst gemacht habe.
Sünde seien nicht die Dinge, die man nicht tun sollte, sondern das Verfehlen der menschlichen Bestimmung, in Beziehung zu treten. Der Mensch müsse nicht hoffen und bangen, sondern dürfe gewiss sein.
Mit Mendelsohns meditativem "Andante tranquillo" und Bachs fulminantem "Allein Gott in der Höh sei Ehr’" ließ Ulrike Ehni die Feier ausklingen.