Haben die Maria-Statue des Tiroler Künstlers Richard Agreiter aus der "allerersten Frommerner Kirche" in die Mitte genommen: Ulrike Erath, Loretta Harke, Astrid Rebhan-Reeck und Lisa Burger (von links). Foto: Ungureanu

"Die Botschaft ist nicht mehr glaubhaft". Forderung nach Gleichberechtigung.

Balingen - Ohne Frauen geht in der katholischen Kirche gar nichts. Aber Frauen haben innerhalb der kirchlichen Strukturen keine Stimme. Dagegen machen die Frauen der katholischen Seelsorgeeinheit Balingen mobil.

Sie sind im Kirchengemeinderat und in der Seelsorge aktiv, betreuen die Kommunionsvorbereitung und gestalteten Familiengottesdienste. Aber taufen oder die Beichte abnehmen dürfen sie nicht. Das dürfen nur Männer, die im Zölibat leben.

Dagegen richtet sich die bundesweite Aktion "Maria 2.0", die eine Änderung in den Strukturen der katholischen Kirche fordert. Die Frauen aus der Seelsorgeeinheit Balingen waren sofort mit im Boot: Eine Woche lang wird die Kirche bestreikt. Die Frauen betreten in dieser Zeit kein Gotteshaus.

Sie sei mit der Kirche aufgewachsen, sagt Loretta Harke, die Vorsitzende des Frommerner Kirchengemeinderats. Auch ihre beiden Töchter seien in der Gemeinde aktiv. Ohne sie und ihre Stellvertreterin Astrid Rebhan-Reeck hätte es die neue St.-Paulus-Kirche kaum gegeben.

Die Aktion "Maria 2.0" haben beide Frauen "mit Handkuss" begrüßt. Ausschlaggebend seien unter anderem die zahlreichen Missbrauchsfälle gewesen, die weltweit jahrzehntelang vertuscht und erst jetzt öffentlich gemacht worden seien.

"Wie in 1960er-Jahren"

Die Kirche, sagt die Pastoralreferentin Ulrike Erath, habe sich in den vergangenen drei Jahrzehnten kaum verändert. Und wenn, dann eher zum Negativen: Immer weniger Priester seien da, die großen Kirchen würden zu Seelsorgeeinheiten, "die persönliche Seelsorge fällt aus".

Dass der Papst bei einer Konferenz in Rom bestätigt habe, dass viele Nonnen missbraucht und bei Schwangerschaft zum Abbruch gezwungen worden seien, mache es für sie als Religionslehrerin am Balinger Gymnasium schwierig, die christliche Botschaft zu vermitteln: "Sie ist nicht mehr glaubhaft", sagt sie. Man komme sich heute noch vor wie in den 1960er-Jahren.

Auch Beispiele haben die Frauen parat: Vor zwei Jahren habe ein Priester der Weltkirche sie gefragt, ob sie eine Frau kenne, die seine Wohnung reinigen wolle, erzählt Loretta Harke. Ehrenamtlich, ohne Bezahlung. Er habe tatsächlich geglaubt, dass sie das machen würde.

Erath, die neben ihrer Lehrtätigkeit als Seelsorgerin im Krankenhaus tätig ist, stößt täglich an die "gläserne Decke in der Kirche": Die Menschen würden ihr ihr ganzes Leben erzählen, aber die Beichte dürfe sie nicht abnehmen.

Sie nennt als Beispiel eine Familie, die sie begleitet hat: Die Mutter hatte Krebs, die Schwiegertochter war schwanger: "Sie wollten, dass ich ihr Kind taufe. Aber das durfte ich nicht. Das darf nur ein Pfarrer oder ein Diakon." Das seien "schmerzliche Erfahrungen, weil ich eine Frau bin". Bei der Eucharistiefeier gebe es "immer gewisse Punkte, wo man nebendran steht: Das Grundlegende, das Letzte fehlt." Bei den frühen Christen habe es solche Unterschiede nicht gegeben: "Bei Jesus waren die Frauen gleichberechtigt."

"Hierarchie durchbrechen"

Auch die 28-jährige Pastoralassistentin Lisa Burger, die "auf Umwegen" zum Theologiestudium gekommen ist, will sich den Mund nicht verbieten lassen: "Die Hierarchie gehört durchbrochen. Manch eine Frau spürt die Berufung, möchte Priesterin werden. Und an der Spitze sitzen nur Männer. Das macht es schwierig." Auch Kommilitonen, die Priesteramtskandidaten seien, stünden der Sache positiv gegenüber.

Sie wäre gerne Priesterin geworden, sie spüre die Berufung, sagt auch Ulrike Erath: "Ich hätte es gekonnt. Ich habe die meiste Zeit des Berufslebens zwar hinter mir, aber es ist ein Schmerz, der bleibt." Dabei habe sie die Erfahrung gemacht, dass es für die Gläubigen egal sei, "ob ein Mann oder eine Frau es macht".

Rückmeldungen, die auf die Veröffentlichungen in den sozialen Netzwerken eingegangen seien, würden beweisen, dass es Rückhalt gibt: "Viele ältere Gemeindemitglieder, manche sind über 70, finden es toll, dass endlich was geht", sagt Erath: "Es geht um die Zukunft."

Am Samstag, 11. Mai, bekommt die St.-Paulus-Kirche eine große, weiße Schleife ums ganze Haus. Ein Symbol dafür, dass die Frauen sie nicht mehr betreten wollen. Stattdessen treffen sie sich um 15 Uhr vor der Kirche und marschieren über mehrere Impulsstationen zur Martinshütte, wo ein Gottesdienst gefeiert wird. "Es gibt einen großen Raum, die Hütte ist beheizt", sagen die Frauen. Es soll keine einmalige Aktion bleiben: In regelmäßigen Abständen wolle man Gottesdienste von Frauen für Frauen feiern. Selbstverständlich seien auch Männer willkommen, die die Aktion unterstützen.