Die Welt geht im Stück der Waldorfschule gleich dreimal unter. Doch Mr. Antrobus ist angstfrei. Er versorgt Dinosaurier und Flüchtlinge gleichermaßen hilfsbereit. Foto: Grebe Foto: Schwarzwälder Bote

Theater: Schüler unterhalten aufs Beste

Balingen-Frommern. "Ich sag’ den Text und denk’ nicht über das Stück nach": Dieser Satz, der dem sinnlichen Hausmädchen Sabina gleich im ersten Akt von Thornton Wilders "Wir sind noch einmal davon gekommen" genervt von den roten Lippen geht, bringt auch die Verwirrung des Zuschauers an der Waldorfschule auf den Punkt.

Mit Thornton Wilders berühmter Farce "Wir sind noch einmal davongekommen" aus dem Kriegsjahr 1942 haben sich die Jugendlichen ein düster-humorvolles und zugleich aktuelles Verwirrspiel zum Thema Mensch und Katastrophe vorgeknöpft. Die amerikanische Kleinfamilie Antrobus, mit ihren streitsüchtigen Kindern Henry und Gladys, tritt in jedem der drei Akte in neuer Besetzung auf. Sie überleben – stellvertretend für alle Säugetiere, Unterabteilung Mensch – gerade noch so den Weltuntergang. Im ersten Akt tritt die Apokalyse in Gestalt der Eiszeit auf den Plan, im zweiten Akt als die steigenden Meere einer Sintflut. Und im dritten Akt in Form eines Weltkriegs.

Als Bühnenausstattung für zwei pralle Theaterstunden, bestehend aus witziger Situationskomik gemischt mit philosophischem Tiefgang, genügte den gut 20 Darstellern: ein rotes Sofa in Form eines Kussmundes, ein großer Screen im Hintergrund für das Abbilden des Weltgeschehens und ein Baugerüst. Dieses trennte als Laufsteg die Bühne in zwei Hälften. So können sich Mrs. Antrobus und das schrille Hausmädchen anfangs die Dinosaurier und später die Flüchtlinge, die im Vorgarten auftauchen, wenigstens kurz vom Leib halten. Mr. Antrobus ist da eher angstfrei. Er vertraut seiner Stärke: der Intuition. Schließlich ist dieser eitle Adam der "Erfinder des Rads" und des Alphabets. Dafür lässt er sich mit der Losung "Amüsiert euch!" bei der 600 000. Jahresversammlung der Säugetiere zum Präsidenten wählen.

Für Heiterkeit beim Publikum sorgt, dass er im mittleren Akt am Gängelband von Sabina beziehungsweise "Lily" hängt. Diese spannt Mrs. Antrobus als Verführerin und unter den Anfeuerungsrufen der Wahrsagerin den Gatten aus. Auch hier spielt Wilder mit mythischen Verweisen. Schließlich ist Lilith in der jüdischen Religionsgeschichte als erste Frau Adams und Dämonin der Lust bekannt.

Auch Henry alias Kain, Sohn des ersten Menschenpaares, durchläuft mit Steinschleuder und Muskelhemd sowie Pistole und Bomberjacke alle Zeitalter der Menschheitsgeschichte. Seine Gewaltbereitschaft wird von den Eltern mühsam in Schach gehalten. Gut, dass das Kräftemessen immer wieder dadurch aufgebrochen wird, dass Mrs. Fitzpatrick als Spielleiterin die Illusion der Theaterwelt durchbricht und die Schauspieler zurechtweist.

Dieser bewusste Bruch mit der Inszenierung und Illusion schenkt dem Zuschauer eine Atempause. Die Theaterpädagogin Maria Radetzki hat Wilders modernes Welttheater hinreißend inszeniert und mit ihrer motivierten Theatertruppe in zwei gut besuchten Abendaufführungen das Publikum nachdrücklich unterhalten – und verwirrt.