Die Historikerin Ingrid Helber trägt einen weißen Schal, inspiriert von ihrer eigenen Großmutter. Er ist ein traditionelles Zeichen der Frauenbewegung. Fotos: Müller Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Ingrid Helber führt Frauen-Stadtspaziergang

Bei dem Stadtspaziergang "Starke Balinger Frauen" zum Thema "100 Jahre Frauenwahlrecht" hat Historikerin Ingrid Helber am Samstag Auszüge aus ihren "Balinger Frauengeschichten" vorgestellt.

Balingen. Sie zeigte rechtliche, berufliche und private Situationen der Frauen vom Mittelalter bis heute, die sie in mehr als 25 Jahre erforscht hat. Der Veranstalter war die Volkshochschule Balingen in Kooperation mit dem Zollernalbkreis und dem Stadtarchiv.

Ingrid Helber ist gelernte Bankerin. Als ihre Kinder in den Kindergarten kamen, entschloss sie sich, ein Geschichts- und Kunstgeschichtsstudium anzugehen.

Historikerin ist bei Tour passend gekleidet

Den 15 Teilnehmern fällt sofort die Kleidung der Historikerin auf: Ein langer Rock und eine Bluse mit hoch geschnittenem Kragen, dazu ein weißer Schal – als Zeichen der Frauenbewegung. "Die Bluse und der Rock sind eine rekonstruierte Bekleidung meiner Großmutter", so Helber. Früher seien die Kleidungsvorschriften der Kirche für Frauen sehr streng gewesen. Erst 1789 zur Zeit der Französischen Revolution fiel die Kleiderordnung.

Die Führung beginnt am Friedhof in Balingen, wo Helber auf die Ehrengräber rund um die Friedhofskirche eingeht. Eine der Verstorbenen sei bei der Geburt ihres Kindes gestorben. "Der erste Beruf der Frau war Hebamme, und das war der einzige städtische Beruf für sie", erklärt die Historikerin. Es soll bis ungefähr 1500 auch Ärztinnen gegeben haben, aber danach durften Frauen bis zum 19. Jahrhundert nicht mehr studieren.

Balingen sei um 863 erstmals in einer Urkunde erwähnt worden, als die jüngste Enkeltochter von Ludwig des Frommen Balingen erbte: "Schon damals war es Frauen möglich zu erben, aber nicht zu herrschen."

Beim nächsten Halt auf dem alten Marktplatz, erklärt die Kunsthistorikerin, dass Frauen dort die hergestellten Dinge ihrer Männer verkaufen konnten. Mit der Zeit entstanden Frauengemeinschaften, und der Erfolg der Reformation erlaubte Frauen, Pfarrerinnen zu werden. Die Kirche wurde freier. Ökonomisch und wirtschaftlich habe sich Vieles aber erst in den 1960er-Jahren geändert. Frauen durften Hosen tragen, und der lange Rock wurde kürzer.

Eigene Erfahrungen fließen mit ein

Helber erzählt auch über ihre eigenen Erfahrungen, ihre Kindheit und ihre Berufslaufbahn und betont, dass Frauen früher entlassen worden seien, nachdem die Männer aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrten: "Das vorgefertigte Bild, dass die Frau daheim bleibt und der Mann arbeitet, ist gar nicht so weit von uns weg", so Helber. Einige Geschäfte in Balingen seien im vergangenen Jahrhundert schon von Frauen geführt worden, heute gebe es davon viele.

Höhepunkt der Führung ist, als die Historikerin auf dem Viehmarktplatz das Wahlrecht anspricht: Die jüngste Tochter von Andreas Kraut, Eugenie Bizer aus der Bizerba-Familie, habe 1904 Wilhelm Maier geheiratet, der später von 1926 bis 1947 Sparkassendirektor war. Sie sei 1919 eine der beiden ersten Kandidatinnen zum Gemeinderat und in ihrer Jugend die erste weibliche Bürogehilfin in Balingen gewesen.

"Das Motto des Jubiläums behinhaltet auch ›Frauen wählen Frauen‹. Letztendlich möchte ich Ihnen aber hauptsächlich Denkanstöße auf den Weg geben", sagt Ingrid Helber abschließend.