Barbara Hausmair, Christian Bollacher und Immo Opfermann (von links) hören zu, als Günter Ernst anhand eines Luftbilds den Standort des "Wüste"-Werks nahe Erzingen beschreibt. Forscher des Landesdenkmalamts wollen die Überreste der Konzentrationslager auch im Zollernalbkreis umfassend dokuentieren. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder Bote

Erinnerung: Forscher dokumentieren Überreste der "Wüste"-Lager – und sind überaus dankbar für Vorarbeit der hiesigen Aktiven

Balingen-Erzingen. Freitagnachmittag in Erzingen in der Erlenstraße. Immo Opfermann steht vor einer Wiese, auf der Bäume und Sträucher blühen. Der frühere Lehrer am Gymnasium Balingen und maßgebliche Kopf des Arbeitskreises "Wüste", der die Geschichte der Zwangsarbeitslager und des Ölschieferabbaus während der Nazi-Zeit im Raum Balingen aufarbeitet, zeigt deutet ins idyllische Grün: "Dort standen die Baracken". "Hier müsste noch etwas im Boden zu finden sein", ergänzt Michael Walther, ebenso im AK "Wüste" aktiv.

Ganz genau hören Barbara Hausmair und Christian Bollacher vom Landesamt für Denkmalpflege zu. Sie betreuen das Projekt, mit dem die Geschichte der Konzentrations- und Arbeitslager im Zollernalbkreis nun, nach jahrzehntelanger Vorarbeit durch Ehrenamtliche wie Opfermann und Walther, wissenschaftlich aufgearbeitet und dokumentiert wird. Am Ende sollen Schlussfolgerungen zu Fragen der Denkmalwürdigkeit stehen. "Wir kommen spät, hoffentlich nicht zu spät", sagt Bollacher: "Die Hinterlassenschaften müssen geschützt werden."

Während der Zeit des Nationalsozialismus hatte das Regime versucht, durch den Abbau und die Verschwelung des Ölschiefers Treibstoff zu gewinnen. Zehn Werke des Unternehmens "Wüste" entstanden, in Erzingen, Engstlatt, Frommern, Dormettingen, Schömberg, Schörzingen, Bisingen und Nehren. Dazu kamen vier Forschungsanstalten – und sieben Lager (Bisingen, Frommern, Erzingen, Dautmergen, Dormettingen, Schömberg und Schörzingen), in denen die für den Ölschieferabbau und die Verarbeitung zwangsweise und auf brutale Weise eingesetzten Arbeiter untergebracht waren. Die Lager waren Außenstellen des KZ Natzweiler-Struthof im Elsaß. Die Erforschung dieses Komplexes bildet den Schwerpunkt des Projekts des Landesdenkmalamts.

Dass die Forscher dabei nicht bei Null beginnen müssen, sondern auf die umfangreiche Vorarbeit der lokalen Initiativen zurückgreifen können, bezeichnen Hausmair und Bollacher am Freitag als "Glücksfall". "Dieses Wissen, diese Forschungen sind für uns unglaublich wertvoll", sagt Barbara Hausmair. Fast schon ist sie ein wenig demütig: "Wir kommen als Lernende", sagt sie in Richtung Opfermann und Walther.

Bei einem Rundgang rund um Erzingen nahmen sie die einstigen Orte des Konzentrationslagers in Erzingen in Augenschein: den Standort des früheren Meilers auf dem Geischberg etwa. Oder, auf dem Heuberg, die Stellen, wo Schieferöl-Tanks standen und wo heute noch die Trafostation steht. Im Anschluss ging es nach Frommern ins frühere Lias-Werk.

Was alles heute noch erhalten und zu finden ist, bekamen die beiden Mitarbeiter des Landesdenkmalamts in Erzingen derweil auch deutlich zu schnüffeln und zu fühlen: Günter Ernst, früherer Betreiber des Bronnhaupter Hofs, hatte eine Flasche mit originalem – und übel riechendem – Schieferöl dabei. "Damit schmiere ich bis heute die Eckpfosten der Weidezäune ein", so Ernst. Immo Opfermann gab den Forschern Hausmair und Bollacher Stücke verschlackten Schiefers in die Hand, die aus den Rohren stammen, in denen durch Erhitzung das Öl gewonnen wurde. Äußerst interessiert begutachten Hausmair und Bollacher zudem ein Luftbild im Großformat, auf dem das Erzinger Lager, die "Russen-Baracken" und das "Wüste"-Werk sehr gut erkennbar sind. Und sie hören genau zu, als Günter Ernst aus seiner Kindheit erzählt, von einem Bunker, der sich auf dem Gelände der heutigen Geislinger Erddeponie befand: "Da bin ich als Junge immer mit meinen Freunden rein zum Spielen."

Das Forschungsprojekt des Landesamts für Denkmalpflege hat im Februar begonnen, angelegt ist es auf vier Jahre. Während die Wissenschaftler auf die Vorarbeit der hiesigen Aktiven zurückgreifen können, erhoffen diese sich durch die Arbeit der "Profis" in Bezug auf das Unternehmen "Wüste" und die anderen einstigen Nazi-Lager im Zollernalbkreis wiederum weitere Aufschlüsse, über das, womit sie sich seit Jahrzehnten beschäftigt haben: "Ich hoffe sehr", sagte Michael Walther am Freitag", dass wir gemeinsam noch viel mehr herausfinden können."