Eugen Straubinger und Markus Butz verfolgen gespannt die erste Probestunde des virtuellen Klassenzimmers, das die Philipp-Matthäus-Hahn-Schule innerhalb von nur drei Tagen aus dem Boden gestampft hat. Foto: Thiercy

Unterricht für 2500 Schüler gesichert. Philipp-Matthäus-Hahn-Schule ist im Kreis führend

Balingen - Eugen Straubinger, Leiter der Philipp-Mathäus-Hahn-Schule in Balingen, ist stolz. Und das darf er auch sein: Sein Lehrerteam hat innerhalb von nur drei Tagen virtuelle Klassenzimmer aus dem digitalen Boden gestampft. Damit ist der kreisweite Unterricht für 2500 Schüler gesichert. Seit Mittwoch unterrichten die 150 Lehrer in virtuellen Klassenräumen.

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

40 Lehrer haben sich bei der Schulung am Dienstag zugeschaltet. In einem der Klassenzimmer in der Balinger Schule sitzt Markus Butz. Der Informatiker ist seit mehr als zehn Jahren Lehrer an der Berufsschule und hat gemeinsam mit fünf Kollegen das virtuelle Klassenzimmer in wenigen Tagen eingerichtet und für die Zeit der Schulschließungen ausgerüstet.

Feldversuch für EDV-Team

Das Lernen muss weitergehen – auch und gerade in der Corona-Krise. Schulleiter Straubinger und Kollege Butz gewinnen der Situation auch etwas Positives ab. Das digitale Lernen propagiert der Schulleiter schon lange und die PMH-Schule habe dafür die besten Voraussetzungen. Im Tagesgeschäft komme man aber nicht dazu, flächendeckend und in großem Stil Erfahrungen mit digitalem Unterricht zu sammeln.

Nun wird dies aber dringend notwendig, um alle Schüler in den nächsten Wochen beschulen zu können. Für das EDV-Team ist das eine Art Feldversuch. IT-Fachlehrer Butz leitet per Videokonferenz seine Kollegen durch das Programm. Die technischen Details sind kompliziert. Die Anwendung kann man lernen. Die Lehrer haben eine Kamera und loggen sich zu festen Unterrichtszeiten ein. Diese sind auch für die Schüler verbindlich. Ob ein Lehrer von Zuhause aus unterrichte oder in die Schule komme, so Straubinger, sei jedem Pädagogen selbst überlassen. Grundsätzlich gelte aber die Dienstpflicht für die Lehrenden. Und die Pflicht, am Unterricht teilzunehmen, für die Schüler.

Die meisten von ihnen, das weiß das Kollegium, sind technisch mit Handys, Notebooks und Tablets gut ausgestattet. Es fehle nur am schnellen Internet im Zollernalbkreis. "Das Landratsamt ist dran", sagt der Rektor. Der Start der virtuellen Klassenzimmer sei ein bisschen holprig gewesen, erklärt Markus Butz. Der landeseigene Bildungsserver namens BelWü sei wegen des hohen Zugriffs am Montag rasch zusammengebrochen. Zum Glück hatte der externe Dienstleister der Schule aber vorgesorgt und rechtzeitig Server in Frankfurt angemietet. So konnte das PMH-System in kürzester Zeit auf diese umgezogen werden und der Betrieb weitergehen. Der Notfallserver läuft seit Dienstag störungsfrei. Und die virtuellen Klassenzimmer sollen bis mindestens 20. April offen sein. So lange bleiben die Schulen – nach derzeitigem Stand – wegen der Coronakrise geschlossen.

Per Chat oder Mikrofon antworten

Und wie sieht eine virtuelle Unterrichtsstunde aus? Markus Butz erklärt: "Es gibt drei Level." Im ersten posten die Lehrer Aufgaben. Im zweiten können die Schüler die Lösungen zurückschicken. Spannend wird es in Level drei, wenn der Lehrer einen festen Termin für den Unterricht vereinbart. Die Schüler sind verpflichtet, sich einzuloggen, das Programm erfasst die Teilnehmer. Der Lehrer spricht in die Kamera, kann diese auf Arbeitsmaterialien oder eine Tafel schwenken. Hat ein Schüler eine Frage, kann er per Emoji die Hand heben oder die Stirn runzeln. Es gilt die allgemein anerkannte Netiquette.

Schüler die etwas beitragen möchten, können sich per Mikrofon zuschalten. Andere Schüler können auch nur per Chat antworten. Nimmt das Quasseln überhand, kann der Lehrer eingreifen und abschalten. Für Markus Butz, selbst Vater von vier Kindern, haben sich die Nachtschichten ausgezahlt. "Ich sehe meine Schüler lieber live, dann erkenne ich direkt an der Mimik, wenn einer ein Problem hat", sagt er.

Die Philipp-Matthäus-Hahn-Schule gehört mit dieser Lernmethode zu den technisch fortschrittlichsten im Land. Andere Schulen setzen Arbeitsaufträge, die von den Eltern über die Homepage heruntergeladen werden können oder versenden E-Mails mit Dateianhängen. Für Straubingers Kollegen geht der Unterricht digital – quasi wie gewohnt – weiter. Dadurch, dass der Lehrer sicht- und befragbar ist, kann im Lehrplan weiter vorangeschritten werden.

Und die Schüler, die in der dualen Ausbildung stecken? Straubinger bittet die Betriebe, den jungen Menschen trotz Corona die Möglichkeit zu geben, am digitalen Unterricht teilzunehmen. Dennoch: Abstriche machen müssten derzeit alle. So seien die Facharbeiterprüfungen Teil eins vom deutschen Industrie- und Handelstag abgesagt worden.